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Vermögensverwalter verkaufen Illusionen

Viele Modeprodukte sind wenig attraktiv – Illiquidität alternativer Anlagen ein Risiko – Hypotheken abzahlen

Das regelmässige Verfehlen von Benchmarks und der grosse Kurseinbruch an den Aktienmärkten in den Jahren 2001 bis 2003 haben die Finanzbranche veranlasst, sich neu auszurichten und sich an absoluten Renditemassstäben zu messen. Nicht mehr das Schlagen von Indizes respektive einer Benchmark wurde zur Maxime erklärt, sondern das Übertreffen einer absoluten Rendite von beispielsweise jährlich 12%. Selbstverständlich soll dieses Ziel unabhängig von der Börsenentwicklung in jedem einzelnen Jahr erreicht oder übertroffen werden. Produkte wie Hedge Funds und Absolute Return wurden aus dem Hut der Finanzvirtuosen gezaubert.

Die hochtrabenden Versprechungen sind zwischenzeitlich von der Wirklichkeit eingeholt worden. Während Aktien seit vier Jahren eine fulminante Entwicklung hinlegen, sind viele Anbieter der Modeprodukte froh, wenn sie nach Abzug ihrer oft sehr hohen Gebühren eine positive Rendite im mittleren einstelligen Bereich ausweisen können. Ein beliebter Trick der nicht regulierten und intransparenten Branche ist es, erfolglose Vehikel umzubenennen, zu fusionieren oder neu auszurichten, um die Vergangenheit auszublenden. Damit werden die historischen Renditezahlen verzerrt.

Verzerrte Wahrnehmung
Die Vertreiber von Hedge Funds und Absolute-Return-Produkten verweisen denn auch nicht mehr auf ihre (verflüchtigten) Renditeausweise, sondern lenken die Aufmerksamkeit nunmehr auf die attraktiven Risikoeigenschaften. So sollen die Schwankungen (Volatilität) und die Korrelation dieser Produkte im Vergleich zu traditionellen Anlagen wie Aktien und Obligationen besonders tief sein. Auch diese Aussage ist leider eine Illusion. Das vermeintlich geringe Risiko wird nämlich nicht selten mit einem hohen Mass an Illiquidität der enthaltenen Anlagen erkauft.

Es ist deshalb kein Zufall, dass viele dieser Produkte lange Bindungsfristen aufweisen und die Käufer mit hohen Ein- und Ausstiegsgebühren abgeschreckt werden. Das gilt erst recht für das Geschäft mit Private Equity. Es liegt in der Natur dieser Beteiligungsgefässe, dass ihre Anlagen nicht an den Börsen gehandelt sind und damit keinen Marktschwankungen unterliegen. Wie soll da das Risiko überhaupt gemessen werden, wenn es gar keinen Markt gibt? Der Investor spürt die Risiken mit voller Wucht erst dann, wenn die Anbieter ihre illiquiden Anlagen in der Not zu Schleuderpreisen verkaufen müssen.

Die Fonds der Neuen Märkte und der Kollaps des Private-Equity-Marktes zur Jahrtausendwende waren, was das betrifft, genauso Lehrbeispiele wie der Zusammenbruch der Hedge Funds LTCM (1998) und Amaranth (2006). Die lange Zeit tiefen Volatilitäten und Korrelationen haben sich nach Bekanntwerden von Fehlspekulationen explosionsartig erhöht. Es ist deshalb gefährlich und irreführend, vermeintlich geringe Risiken illiquider Anlagesegmente mit denjenigen liquider Aktien oder Obligationen zu vergleichen. Sie können sich in einem sich verändernden Marktumfeld schnell als Illusion entpuppen.

Während der heftigen Marktturbulenzen im ersten Quartal dieses Jahres hat sich prompt gezeigt, dass die Korrelation zwischen Aktien und Hedge Funds deutlich gestiegen ist. Damit wird der oft proklamierte Diversifikationseffekt dieser margenträchtigen Produkte erheblich relativiert. Provokant formuliert lässt sich die These vertreten, dass Statistiken über Renditen und Risiken in einem nicht regulierten, intransparenten Markt ohne Aussagekraft sind. Ähnliches lässt sich sagen, wenn in ein Stück Land in der Einsamkeit der Rocky Mountains oder in Wald investiert wird. Die Illiquidität und ein stabiler, nicht selten von den Managern eigenhändig festgelegter Nettoinventarwert (NAV) vermitteln dem Anleger den Eindruck, in risikoaverse Anlagen investiert zu haben.

Im intransparenten Segment der nicht-traditionellen Produkte werden die Investoren darüber hinaus mit dem Hinweis geködert, es würde nur in die 20% besten und erfolgreichsten Manager investiert. Nur, solche schönen Versprechungen macht vermutlich jeder Anbieter. Wer will sich schon in die (real existierenden!) restlichen 80% engagieren?

Überforderte Anleger
Leider ist zudem auch die Unabhängigkeit der Produktvertreiber zu hinterfragen. Sie stehen nämlich in einem permanenten Interessenkonflikt. Sollen sie nun die besten oder die mit Blick auf Gebühren attraktivsten Produkte verkaufen? Im Zweifelsfall ist die Verlockung gross, den eigenen Profit dem des Kunden überzuordnen. Es ist wohl kaum ein Zufall, dass Banken und unabhängige Vermittler indexierte und kostengünstige ETF-Produkte zwar anbieten, aber kaum vermarkten. Sie ziehen margenträchtige Instrumente vor.

Illusionen gibt es auch im Umgang mit strukturierten Produkten. Hohe Zinszahlungen werden mit Rückzahlungsmodalitäten verknüpft, die für viele Anleger kaum nachvollziehbar sind. Wenn die Märkte fallen, wird die Rückzahlung zu einem hohen Ausgangswert ausgerechnet in derjenigen Aktie gemacht, die von einem Korb von Titeln die schlechteste Performance aufgewiesen hat. Beim nächsten grösseren Börsenrückschlag werden sich wohl einige vermeintlich konservative Investoren die Augen reiben. Wegen der Potenzierung von Risiken übertreffen diese Produkte die Risiken eines Engagements in einer einzelnen Aktie. Damit werden Börseneinbrüche noch grössere Verluste verursachen, als das mit Direktanlagen in Aktien der Fall ist. Das ursprüngliche Ziel verunsicherter Investoren, Dividendenwertpapiere durch konservativere Konstrukte zu ersetzen, wird dann jedoch genau ins Gegenteil verkehrt. Auch Produkte mit Kapitalgarantie wiegen die Anleger in eine trügerische Sicherheit. Während der oft mehrjährigen Laufzeit können diese Papiere tief in die Verlustzone rutschen. Die hohen Kosten der Kapitalsicherung und nicht selten Währungsrisiken belasten darüber hinaus die Rendite zusätzlich. Die attraktiv klingende Kapitalgarantie nützt nicht viel, wenn nach Kosten kaum mehr etwas übrig bleibt. Da kann das Geld ebenso gut auf dem Sparbuch belassen werden.

Auch bei traditionellen Anlageformen gibt es Illusionen. Halten private Investoren erstklassige Obligationen in Franken und verfügen parallel über Kredite in derselben Währung (beispielsweise Hypotheken), so tun sie nur ihrer Hausbank einen Gefallen. Kredite kosten systematisch mehr, als festverzinsliche Anlagen einbringen. Wenn dann noch steuerliche Gründe für eine Nicht-Rückführung der Kredite angebracht werden, so gehören sie ins Reich der Märchen. Nicht nur sind die Kreditzinsen nämlich abzugsfähig, sondern die Anlagezinsen auf der Gegenseite sind zu versteuern. Die Differenz in Form der Marge verbleibt der Bank, die wenig Interesse an einer Rückzahlung hat. Sie verdient sowohl auf dem Depotwert der Anlagen wie an den gut gesicherten Krediten.

Illusionen gibt es ebenso im Aktiengeschäft. Die Versuche und die Hoffnung, die Aktienmarktentwicklung mit Charts, Behavioural Finance oder anderer Prognosetechniken vorauszusehen, sind so alt wie die Börse selbst. Sie sind immer wieder gescheitert, die erhofften Erfolge konnten wissenschaftlich nie nachgewiesen werden. In einer globalisierten Welt, deren Finanzmärkte im Laufe der Zeit immer effizienter geworden sind, ist dies auch nicht erstaunlich. Es fehlt nur die Ehrlichkeit der Anlageprofis, die eigenen Grenzen zuzugeben. Zu aktives Trading bringt auf Dauer nichts und macht nur die Taschen leer.

Profitträchtiges Marketing
Ebenso fatal wirkt sich aus, wenn die Risikostreuung vernachlässigt wird. Auch einst hochgejubelte Stars mussten zwischenzeitlich einsehen, dass die einseitige Fokussierung auf wenige Titel oder einen einzelnen Markt sehr gefährlich werden kann. Weil wir in der Schweiz leben, bilden wir uns darüber hinaus ein, diesen Markt besonders gut zu kennen und ihn prognostizieren zu können. Dieser Trugschluss wird in der Fachsprache als Home Bias umschrieben. Amerikaner kaufen fast ausschliesslich US-Aktien, Europäer primär europäische, und asiatische Investoren werden sich wiederum primär auf ihre Region ausrichten.

Diese Irrationalität zeigt sich auch in den Prognosen der Finanzexperten, die ihr Mutterland im Ausblick regelmässig favorisieren. Die Analysten überschätzen ihre Prognosefähigkeiten in ihrem eigenen Umfeld aber systematisch. Es spielt nämlich keine Rolle, ob global tätige Unternehmen wie Nestlé, Novartis oder UBS in Zürich, New York oder Tokio analysiert werden. Die Güte der Prognose ist vom Standort der Betrachtung völlig unabhängig. An einer langfristigen, gut diversifizierten und auf Qualität ausgerichteten Strategie führt deshalb kein Weg vorbei.

Zusammenfassend lässt sich schliessen, dass Marketing in unserer Branche viele Illusionen schürt. Investoren sind gut beraten, toll klingende Versprechungen zu hinterfragen und sich nicht blenden zu lassen. Gute Vermögensverwalter propagieren intelligente, transparente und kostengünstige Strategien, die langfristig attraktiv und nachhaltig sind. Rendite ist primär einer produktiven Wirtschaft zu verdanken, nicht aber den oft parasitären und eigennützigen Gebührenjägern der Finanzwelt. Träume und Illusionen haben im Umgang mit Geld keine Berechtigung.


4. April 2007

Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.


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