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Gefangen im Heimmarkt

Das komplexe juristische Umfeld in der EU und anderswo behindert die Vermögensverwalter stark und schadet dem Finanzplatz

Unabhängige Vermögensverwalter leiden noch mehr unter der strikten Regulierung als die Banken. Um Kunden aus der EU zu akquirieren, müssen sie im Ausland teure Niederlassungen gründen. Das schwächt den Schweizer Finanzplatz.

Die unabhängigen Vermögensverwalter müssen derzeit mit Rahmenbedingungen leben, die jedem Unternehmer ein Greuel sein müssen. Das regulatorische Umfeld ist so komplex geworden und mit derart vielen Unsicherheiten behaftet, dass die Firmen im grenzüberschreitenden Geschäft fast nicht mehr wachsen können. «Wir expandieren, indem wir versuchen, weitere Kundenbetreuer anzustellen», sagt Anthony Cagiati, Vizepräsident des im Jahre 2012 vor allem von ehemaligen Clariden-Leu-Mitarbeitern gegründeten Anbieters Soundcapital. Andere Möglichkeiten bestünden derzeit fast keine.

Deutschland wäre verlockend
Verbaut sind vor allem Neugeschäfte in den EU-Ländern wegen der dort herrschenden Gesetzeslage. Im Binnenmarkt dürfen unabhängige Vermögensverwalter von der Schweiz aus keine Kunden anwerben. Den Firmen bleibt daher nur die Hoffnung, dass Anleger aufgrund einer Empfehlung eines Klienten den Weg zu ihnen finden oder die labile Lage in der Euro-Zone Investoren in den sicheren Hafen Schweiz treibt.

Man überlege sich, wie es auf dem EU-Markt weitergehen solle, sagt Cagiati. Gerade Deutschland und Österreich sind, neben einigen Ländern Osteuropas und Lateinamerikas, für Soundcapital wichtige Märkte, die auch sonst kein Vermögensverwalter links liegen lassen kann. Darin sind sich die Anbieter einig. Gerade Süddeutschland sei eine attraktive Region, in der viele wohlhabende Unternehmer lebten, sagt Guido Hoyer, Partner von Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG. Man hätte eigentlich den Ehrgeiz, im Nachbarland zu wachsen; nur zwinge einen die unsichere Rechtslage derzeit dazu, die weitere Entwicklung des regulatorischen Umfelds abzuwarten.

Lösungen, um Anleger aus der EU als Kunden zu gewinnen, gibt es zwar. Teilweise sind sie aber mit hohen Kosten verbunden, und dem Schweizer Finanzplatz als Ganzem schaden sie mehr, als sie ihm nützen. Die Firma Swisspartners, die rund 4 Mrd. Fr. Vermögen verwaltet und damit eine ähnliche Grösse hat wie Soundcapital, besitzt seit mehreren Jahren in Vaduz einen Ableger, der eine Schwesterfirma der Zürcher Einheit ist und von der liechtensteinischen Finanzbehörde FMA beaufsichtigt wird. Weil das Fürstentum Mitgliedland des EWR ist, geniesse das Unternehmen einen verhältnismässig ungehinderten Zugang zur EU. Allerdings reicht es dafür nicht mehr, in Liechtenstein bloss eine Briefkastenfirma zu installieren. Das Unternehmen muss vielmehr Substanz aufweisen, damit es von den Regulatoren als vollwertig akzeptiert wird.

Swisspartners versucht von Liechtenstein aus, Kunden in der EU zu akquirieren, während sich die Einheit in Zürich um Anleger aus der Schweiz, der Türkei und Israel kümmert. Erst zu Beginn des Jahres musste die Liechtensteiner Firma eine Prüfung durch die FMA gemäss der europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid über sich ergehen lassen. Das sei, sagt Swisspartners-COO Kristian Bader, aufwendig gewesen. Um Kosten zu sparen und von Grössenvorteilen zu profitieren, überlegt sich die Leitung von Swisspartners, in Liechtenstein ein Shared-Service-Center zu gründen. Vermögensverwalter müssen zwar Substanz aufweisen, sie dürfen gewisse Dienstleistungen aber outsourcen, beispielsweise im Bereich Compliance. Andere Vermögensverwalter könnten daher ebenfalls von einem solchen Dienstleistungszentrum profitieren.

Über London in die EU
Einen anderen Weg ist der Vermögensverwalter Bellecapital gegangen, dessen Geschichte Parallelen mit dem Werdegang von Soundcapital hat. Anlass von deren Gründung war die Integration von Clariden-Leu in die Credit Suisse gewesen. Bellecapital wurde 2009 unter anderem von zwei ehemaligen Managern der HSBC Guyerzeller Bank ins Leben gerufen, nachdem diese mit der HSBC Private Bank Schweiz fusioniert worden war. Das neue Institut sei nicht mehr seine Welt gewesen, sagt Co-Gründer Beat Bass. Inzwischen verwaltet Bellecapital 2,7 Mrd. Fr., wobei rund zwei Drittel von Kunden stammen, die ihren Betreuern von Guyerzeller zu Bellecapital gefolgt sind. Um aus der Enge des Schweizer Heimmarkts auszubrechen, ist das Unternehmen nicht nach Vaduz gegangen, sondern nach London. Nach einem Verfahren von dreizehn Monaten hat Bellecapital von der englischen Aufsicht FCA eine Bewilligung erhalten. Von der Finanzmetropole aus sollen nun Kunden in der EU angesprochen werden.

Wiederentdeckte Schweizer
Barrieren bestehen im Vermögensverwaltungsgeschäft nicht nur bei Klienten aus der EU. Andernorts sind die Geschäfte ebenfalls schwieriger geworden. Viele Vorschriften erschweren etwa den Kontakt mit russischen Kunden. Bis vor kurzem waren sie bei den Banken sehr begehrt, auch weil ihre Betreuung eine verhältnismässig hohe Rendite versprach. Jüngst seien die Depotbanken gegenüber russischen Anlegern aber zurückhaltender geworden, sagt Cagiativon Soundcapital. Ein Grund dafür dürfte die Ukraine-Krise sein.

Mit Ungewissheiten behaftet ist ferner das Lateinamerika-Geschäft. Viele Anleger aus der Region trauen den Behörden ihres Heimatlandes nicht und wollen auf keinen Fall, dass diese im Rahmen des automatischen Informationsaustausches (AIA) in den Besitz von Depotinformationen gelangen. Möglicherweise werden sie künftig erst recht US-Banken bevorzugen, und dies in der Hoffnung, dass amerikanische Politiker, beispielsweise in Florida, alle Hebel in Gang setzen werden, um die Datenlieferung an lateinamerikanische Steuerbehörden zu verhindern.

All das hat jüngst dazu geführt, dass die Vermögensverwalter ihr Augenmerk vermehrt wieder auf Kunden richten, die sie zeitweise vernachlässigt haben. Das sind zunächst US-Amerikaner. Für deren Akquisition bestehe derzeit ein Zeitfenster, sagt Mark Eberle von Bellecapital. Viele Banken haben Kunden aus den USA wegen des Steuerstreits fallengelassen; dabei bringt die Wirtschaft des Landes stetig Millionäre hervor, von denen nicht wenige aus Diversifikationsgründen einen Teil des Vermögens im Ausland deponieren wollen. An sie richtet sich Bellecapital mit einer Gesellschaft, die bei der US-Börsenaufsicht SEC registriert ist.

Gleichzeitig scheinen die Vermögensverwalter Schweizer Kunden wieder stärker zu umgarnen. Als das klassische Offshore-Geschäft vor der Finanzkrise von 2008 noch blühte, galten sie als beratungsintensiv und deshalb mühsam. Seitdem im internationalen Private Banking die Gefahr besteht, an einer der vielen Hürden hängen zu bleiben, sehen die Anbieter hiesige Kunden jedoch in einem neuen Licht.


23. Juli 2015


Autoren

DANIEL IMWINKELRIED


Kategorien
  • Interessenkonflikte
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