Halbjahresbericht 2024
Mit ihrer Entscheidung, als erste der weltweit führenden Zentralbanken den Leitzins per 22. März zu senken, hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Märkte überrascht. An der Teuerungsfront gibt es ermutigende Anzeichen, doch der Kampf gegen die hohe Inflation erweist sich als hartnäckig. In den Vereinigten Staaten von Amerika musste die Hoffnung, dass die Notenbank Fed in diesem Jahr eine Kaskade von Zinssenkungen verkünden würde, begraben werden. Nichtsdestotrotz war das erste Halbjahr geprägt von vielen erfreulichen Unternehmensergebnissen und einer ausserordentlich positiven Entwicklung an den Aktienmärkten. Auch Schweizer Aktien schnitten erfreulich ab, im internationalen Vergleich allerdings für einmal unterdurchschnittlich. Dies lag primär an den temporär schwächelnden Schwergewichten Nestlé und Roche, die auch nicht von einem zur Schwäche neigenden Schweizer Franken, der die Exportwirtschaft eigentlich beflügeln sollte, profitieren konnten.
Per Mitte Juni, der Drucklegung dieses Kundenschreibens, ergab sich ein sehr erfreulicher Blick auf die Portfoliorenditen. Zinssenkungsfantasien und über den Erwartungen der Analysten liegende Wirtschaftsdaten in den Vereinigten Staaten von Amerika sorgten für eine positive Grundstimmung an den internationalen Aktien- und Anleihenmärkten. Geradezu euphorisch wurden Aktien befeuert, die in einem Zusammenhang stehen mit Künstlicher Intelligenz (KI). Atemberaubend ist die Entwicklung der sogenannten Magnificent Seven: Apple, Amazon, Alphabet (Google), Meta (Facebook), Microsoft, Nvidia und Tesla repräsentieren eine kumulative Börsenkapitalisierung, die dem Zehnfachen aller kotierten Schweizer Aktien entspricht. Allein die Börsenkapitalisierung von Nvidia ist deutlich höher sowohl als diejenige aller Unternehmen des deutschen als auch des schweizerischen Aktienmarkts.
Als verantwortungsbewusste und konservative Vermögensverwalter ist es uns ein fundamental wichtiges Bedürfnis, die Risiken unserer Anlagen strikt zu begrenzen. So ist es uns während fulminanter Haussen ziemlich egal, wenn wir von einigen Wettbewerbern, die die Risiken voll ausfahren, übertroffen werden. In aller Regel überkompensieren wir das in schwierigen Börsenphasen. So war es auch im Baisse-Jahr 2022, als wir unsere Konkurrenz um bis zu 10 Prozentpunkte hinter uns gelassen haben, weil wir defensiver aufgestellt waren.
Bei unseren deutschen Kundinnen und Kunden ist die Freude zur Jahreshälfte für einmal etwas getrübt. Zwar können wir auch für sie erfreuliche Renditen ausweisen, doch ihre Resultate liegen einerseits hinter dem deutschen Aktienindex DAX und andererseits bei identischer Portfoliostruktur hinter denjenigen der Schweizer Investorenschaft zurück. So hat sich der DAX bis Mitte Juni im Vergleich zum schweizerischen SMI, der von der temporären Schwäche der Schwergewichte Nestlé und Roche belastet ist, überragend entwickelt. Das erste Halbjahr 2024 ist somit eine der seltenen Perioden, in denen sich für deutsche Anlegerinnen und Anleger eine internationale Diversifikation mit besonderem Akzent auf Schweizer Aktien nicht ausbezahlt hat. Dazu kommt, dass das erste Halbjahr eine der wenigen Phasen war, in denen der Euro gegenüber dem Schweizer Franken deutlich zugelegt hat. Dies hat für Anlegerinnen und Anleger mit Referenzwährung Euro zur Folge, dass auf den in Schweizer Franken denominierten Aktien Währungsverluste in Kauf genommen werden mussten. Die Stärke von DAX und Euro ist angesichts der wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen, die Deutschland aktuell zu bewältigen hat, bemerkenswert. Aus langfristiger Sicht ist und bleibt für uns aber ohne jeden Zweifel klar, dass sich auch für deutsche Investorinnen und Investoren eine internationale Diversifikation der Aktienanlagen aufdrängt und der Schweizer Franken gegenüber dem Euro früher oder später wieder zur Stärke neigen wird.
Lehren aus dem Fall Benko für die Anlagepolitik
Wie Sie wissen, legen wir grossen Wert auf eine schnörkellose und transparente Anlagepolitik. Unnötige und sündhaft teure Komplexität ist uns suspekt. Deshalb verzichten wir aus Überzeugung auf Strukturierte Produkte, Hedge Funds, Private-Equity-Anlagen und Kryptowährungen. Das zahlt sich für unsere Kundinnen und Kunden langfristig in Form einer erstklassigen Performance aus.
«Ich kann Ihnen nicht sagen, wie man schnell reich wird. Ich kann Ihnen aber sagen, wie man schnell arm wird: indem man versucht, schnell reich zu werden.»
Der tiefe Fall des gescheiterten österreichischen Immobilienmoguls René Benko zeigt eindrücklich, wie gefährlich es ist, in intransparente Konstrukte zu investieren. Seine Signa Holding, die mit viel Fremdkapital in Immobilien sowie bekannte Warenhäuser wie Galeria Karstadt Kaufhof, Globus, KaDeWe und Selfridges investiert war, krachte Ende 2023 mit viel Getöse zusammen. Signa umfasst rund 1'000 Beteiligungen, Sub-Beteiligungen, Sub-Sub-Beteiligungen und Sub-Sub-Sub-Beteiligungen – wir könnten die Kette noch fortführen, dermassen verschlungen und verflochten ist das von Benko orchestrierte Konstrukt. Nach dem Zusammenbruch versuchten die Insolvenzverwalter, das Organigramm der Signa-Gruppe zu erstellen – sie benötigten 46 A3-Seiten. Jedem vernünftigen Kaufmann müsste diese Intransparenz sauer aufgestossen sein. Nicht so Klaus-Michael Kühne (Kühne + Nagel), Ernst Tanner (Lindt & Sprüngli), der Autodynastiefamilie Peugeot, der Familie Rausing (Tetra Laval, Tetra Pak), dem Unternehmensberater Roland Berger, dem früheren Metro-Boss Erwin Conradi, dem Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner (Strabag) und dem Thurgauer Kaffeemaschinen-König Arthur Eugster. Sie alle wurden Opfer des völlig intransparenten Konstrukts eines talentierten, aber mit hohen Risiken operierenden Hasardeurs.
«Ich habe bei Lindt ein akribisches Reporting eingeführt. Diesen hohen Anspruch habe ich auch bei Signa.»
Wie war das möglich? Vermutlich haben sich anfänglich eine oder zwei Grandessen dazu entschlossen, zu investieren. Weitere sind ihnen mutmasslich wie Lemminge gefolgt, ganz nach dem Motto: Wenn der hochangesehene X oder der äusserst erfolgreiche Y investiert, dann werden sie das schon sauber geprüft haben – also sollten wir unbedingt auch investieren, sonst verpassen wir vielleicht eine grosse Chance. Es ist sozusagen ein Herdentrieb auf hohem Niveau. Genau dieser Herdentrieb spielt sich jeweils auch unter den kreditgebenden Banken ab. Haben sich zwei oder vielleicht drei Banken einmal dazu entschieden, einem aufstrebenden Unternehmer oder Unternehmen Geld zu leihen, finden sich schnell weitere Banken, die auf keinen Fall das grosse Geschäft verpassen wollen. Sie hängen sich in den illustren Kreis der Kreditgeber, und das grosse Rad der unternehmerischen Wunderkinder beginnt sich zu drehen. So war es auch bei «Wunderwuzzi» René Benko. Weshalb die Bank Bär gleich mit CHF 600 Mio. ins Risiko ging, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Philipp Rickenbacher, der Chef der «Bären», der nach der Ära von Boris Collardi eigentlich einen Kulturwechsel versprach, musste seinen Sessel räumen.
«Komplexität wurde wohl als ein Zeichen von Genialität gedeutet.»
Wer die Geschichte nicht ignoriert, weiss, dass es solche Beispiele schon immer gegeben hat. Das vielleicht berühmteste Beispiel in der Schweiz betrifft, wie die «NZZ» vom 5. Januar in einem lesenswerten Beitrag berichtet hat, das ehemalige Wunderkind Werner K. Rey. Nachdem er sich im Jahr 1975 eine Mehrheitsbeteiligung am Schuhkonzern Bally sicherte, plünderte er dessen Barmittel und bescherte ihm einen Schuldenberg. Die wundersame Geldvermehrung wendete Rey sodann bei den Metallwerken Selve in Thun, dem Prüfunternehmen Inspectorate, dem Zeitarbeitsunternehmen Ad Interim (heutige Adecco), dem Industrieunternehmen Sulzer und der Omni Holding an. Werner K. Rey wurde als Finanzgenie gefeiert, um später wegen betrügerischen Konkurses verurteilt zu werden. Viele Banken, Aktionäre und Gläubiger haben Geld in Milliardenhöhe verloren. Genauso wie bei René Benko blieb damals rätselhaft, wie es möglich werden konnte, dass Grossbanken, Kantonalbanken, Privatbanken, deutsche Landesbanken, Sparkassen und namhafte Investoren einem schamlosen Finanzjongleur ihr Geld förmlich nachwarfen. Gier und eine gewisse Naivität dürften vermutlich eine Rolle gespielt haben. Ganz sicher sind sie aber Opfer einer komplexen, verschachtelten und unübersichtlichen Konstruktion geworden. Sie haben sich im Nebel der Intransparenz verirrt.
«Einer Bank, die einem Investor-Schnuderbuben Benko Hunderte Millionen zur Vernichtung darreicht, sollte man doch einfach die Lizenz entziehen.»
Sowohl bei Werner K. Rey als auch bei René Benko gab es von Anbeginn weg Warnzeichen. So war Rey ab Mitte der 1960er-Jahre beim amerikanischen Playboy Bernie Cornfeld angestellt. Ihm wurde vorgeworfen, durch ein intransparentes Fund-of-Funds-Konstrukt eine Art Schneeballsystem zu betreiben. Unzählige Anleger haben damals ihr Geld verloren. Der Schulabbrecher Benko arbeitete einst beim AWD (Allgemeiner Wirtschaftsdienst), dem Finanzberatungsunternehmen des schillernden deutschen Unternehmers Carsten Maschmeyer. Dort hat er Verkaufen gelernt. AWD-Berater wurden als «Drückerkolonne» bezeichnet, weil sie oft in einer Schnellbleiche ausgebildet wurden und mitunter auch abenteuerliche Versicherungs-, Aktien-, Anleihen- und Immobilienprodukte mit fetten Kommissionen verramschten.
«Ich habe von meinem Grossvater gelernt, nur anzuschaffen, was man sich auch leisten kann.»
Wenn es eine Lehre aus den Fällen Benko und Rey zu ziehen gibt, ist es diese: Hüten Sie sich vor Intransparenz und investieren Sie ausschliesslich in Anlagen, die Sie selbst verstehen.
Wissenschaftliche Evidenz für die tendenzielle Gleichgewichtung
Neben Transparenz und Qualität ist die tendenzielle Gleichgewichtung unserer Aktientitel eine wichtige Charakteristik unserer Anlagephilosophie. Damit unterscheiden wir uns von der Marktgewichtung, die in den gängigen Indizes zu inhärenten Klumpenrisiken führt, und erreichen in der Folge eine ausgewogenere Risikostreuung. Im schweizerischen Aktienindex SMI nehmen die Aktien der drei Unternehmen Nestlé, Novartis und Roche ein Gewicht von gegen 50 Prozent ein. Zwar führen auch wir diese erstklassigen Aktien seit Jahrzehnten in unseren Portfolios, aber nicht mit diesem horrenden Gewicht – immerhin gewichten wir die drei Schweizer Grosskonzerne etwas höher als die anderen Werte unserer Portfolios. Unsere Entscheidung der tendenziellen Gleichgewichtung verbinden wir nicht mit der Erwartung, in jedem einzelnen Jahr eine bessere Rendite als der Markt zu erzielen, denn dies lässt sich schlicht nicht prognostizieren. Vielmehr ist es eine Risiko- respektive Vernunftentscheidung. Wir wollen Klumpenrisiken um jeden Preis vermeiden. Erfreulicherweise zeigt unsere Erfahrung, dass wir mit dieser vorsichtigen Politik im langfristigen Kontext Renditen erzielen, die über den relevanten Vergleichsindizes liegen. So war es auch im ersten Halbjahr 2024, in welchem die Schwergewichte Nestlé und Roche den Schweizer Aktienmarkt aufgrund ihrer temporären Schwäche belasteten. Durch die Vermeidung von Klumpenrisiken verhindern wir potenzielle «Unfälle», die zu irreversiblen Schäden führen.
«Es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage.»
Unsere Philosophie der tendenziellen Gleichgewichtung wird untermauert, wenn ein langfristiger Vergleich der Renditen des nach Kapitalisierung gewichteten amerikanischen Aktienmarkts S&P 500 – der üblichen Messgrundlage – und dem gleichgewichteten S&P 500 herangezogen wird. So hat der kapitalisierungsgewichtete Index in der Zeitperiode von 2000 bis 2023 und in der Referenzwährung US Dollar um 225 Prozent (in CHF: 71 Prozent) zugelegt, während der gleichgewichtete Index um 459 Prozent (in CHF: 195 Prozent) gestiegen ist. Das ist, auch in Anbetracht etwas höherer kurzfristiger Schwankungsrisiken, ein gewaltiger Performance-Unterschied zugunsten der Gleichgewichtung. Was sind die Gründe, dass die tendenzielle Gleichgewichtung langfristig bessere Renditen abwirft als die in der Branche übliche Gewichtung nach Kapitalisierung? Aus unserer Sicht sind es primär zwei Gründe, die dafür ausschlaggebend sein dürften. Erstens das antizyklische Element: Wer seine Aktien tendenziell gleichgewichtet, nimmt ein periodisches Rebalancing vor und kauft Aktien dazu, die schwach abgeschnitten haben, und realisiert Teilgewinne auf Aktienpositionen, die gut gelaufen sind. Dieses periodische Rebalancing sorgt dafür, dass die Aktienpositionen wieder auf eine Normalposition zurückgeführt werden. Das antizyklische Agieren entgegen dem Herdentrieb wird im englischen Sprachgebrauch auch als «Buy on bad news» und «Sell on good news» umschrieben. Zweitens dürfte eine Rolle spielen, dass Aktien mittelgrosser und kleiner Unternehmen bei einer tendenziellen Gleichgewichtung ein höheres Gewicht erhalten, als wenn kapitalisierungsgewichtet investiert wird. Wissenschaftlich und empirisch unstrittig ist dabei die Tatsache, dass auf diese Weise der «Small- und Midcap-Effekt» zum Tragen kommt. Langfristig erzielen die Aktien mittelgrosser und kleiner Unternehmen eine Mehrrendite in Form einer sogenannten Risikoprämie. Mit Überzeugung werden wir an unserer bewährten und ausgewogenen Politik der tendenziellen Gleichgewichtung festhalten.
Ist «Hotz» ein reiner Value-Vermögensverwalter?
Eine weitere Charakteristik unserer Anlagepolitik ist, dass wir wertkonservativ sind. Risiken, die uns suspekt sind und Aktien, deren Bewertung schwindelerregende Höhen erreichen, vermeiden wir konsequent. Häufig werden wir deshalb auch als Value-Investoren bezeichnet, womit wir uns im Grunde wohlfühlen. Allerdings liegt uns daran zu betonen, dass wir mit Überzeugung auch Aktien von Unternehmen halten, die über ein attraktives Wachstumspotenzial verfügen. Als Beispiele seien Technologietitel wie Apple (auch die Value-Legende Warren Buffett hält diese Aktie), Alphabet (Google), ASML und Microsoft genannt, aber auch Industriekonzerne wie ABB oder Siemens, die zwar nicht fulminant, aber stetig wachsen. Niemals würden wir hingegen einen einseitigen Fokus auf Unternehmen legen, die die höchsten Wachstumsraten versprechen. Gesichert bei diesen Unternehmen ist vor allem, dass sie extrem teuer zu kaufen sind, während ihr potenziell hohes Zukunftswachstum alles andere als sicher ist. Das Enttäuschungspotenzial bei Unternehmen wie Amazon, Nvidia, Meta (Facebook) oder Tesla ist enorm. Das zeigt ein Blick in den Rückspiegel. Zum Ende der 1990er-Jahre waren die Technologiewerte AOL, Cisco Systems, Dell Computer, Hewlett Packard, IBM, Intel, Microsoft, Oracle, Qualcomm und Sun Microsystems die Überflieger der Börse. Dann platzte zur Jahrhundertwende die Tech-Blase. Wie haben sich die einstigen Überflieger des Tech-Booms seither entwickelt? Bescheiden: Von den genannten Growth-Titeln der 1990er-Jahre hat in der Zeit von 2000 bis 2023 nur gerade Microsoft den amerikanischen S&P 500 geschlagen.
«Value-Investoren haben nichts gegen Wachstumstitel. Aber sie müssen zu attraktiven Bewertungen angeboten werden.»
Die ganze Diskussion, ob man nun eher zu den Value- oder Growth-Investoren gehört, ist unseres Erachtens zu einem grossen Teil ohnehin müssig, wie das nachfolgende Beispiel illustriert. Im MSCI World Growth Index hält Apple per 31. Mai mit 8,37 Prozent das zweitgrösste Gewicht nach Microsoft. Dies lässt zweifellos den Schluss zu, dass Apple ein prominenter Wachstumstitel (Growth) ist. Wirft man nun einen Blick auf den MSCI World Value Index, fällt auf, dass Berkshire Hathaway mit 1,73 Prozent das drittgrösste Gewicht aufweist. Nicht überraschend wird also die Beteiligungsgesellschaft des legendären Altmeisters Warren Buffett als ausgesprochener Substanztitel (Value) klassifiziert. Dazu muss man allerdings wissen, dass allein Apple fast die Hälfte des gesamthaft von Berkshire Hathaway gehaltenen börsenkotierten Aktienvolumens ausmacht. Da stellt sich unweigerlich die Frage: Ist Apple nun ein Growth- oder ein Value-Titel? Wie bei vielen anderen Unternehmen liegt die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen.
Es wäre überdies töricht, sich als vermeintlich schlauer und konservativer Investor ausschliesslich auf Unternehmen zu konzentrieren, die im Sinne von «Value» über ein tiefes Kurs/Buchwert-Verhältnis verfügen und damit vermeintlich unterbewertet sind. So bilden sich einige Banker und Vermögensverwalter ein, sie könnten mit dem Kauf der Aktie eines Unternehmens, das bei einem Kurswert von 50 Franken einen Buchwert von 100 Franken verkörpert, fast risikofrei Geld verdienen. Diese Jagd nach vermeintlich unterbewerteten Trouvaillen ist brandgefährlich, wie uns das Schicksal der gescheiterten Credit Suisse vor Jahresfrist einmal mehr vor Augen führte. Die Grossbank wies kurz vor ihrem Untergang ein äusserst attraktives Kurs/Buchwert-Verhältnis auf – die ausgewiesenen Eigenmittel überstiegen die Börsenkapitalisierung der Bank um das Vielfache. Die Aktie schien vielen Investoren als spottbillig – auch die Bankenlegende Oswald Grübel, die sowohl auf der Kommandobrücke der CS als auch der UBS stand, verfiel den Verlockungen. Wenige Monate vor dem Kollaps kaufte Grübel Aktien «seiner» Bank zum Schnäppchenpreis von rund CHF 4, wie er öffentlich verkündete. Wie das Top-Management der Bank, die Aufsichtsbehörde FINMA, die Schweizerische Nationalbank (SNB) und viele Politiker glaubte Grübel bis zuletzt, der Buchwert von rund CHF 20 pro Aktie respektive das Eigenkapital der Credit Suisse sei in einer Notsituation werthaltig. Ein Irrtum: Wäre dem so gewesen, hätte die Credit Suisse planmässig und ohne Verlustrisiko für die Schweizer Steuerzahler abgewickelt werden können. Aus Angst vor einer Ansteckung weiterer Finanzinstitute wurde diese Option vom Bundesrat auf internationalen Druck und mit Notrecht verworfen. Die Entscheidung des Bundesrates war weise: Wenn die Aktiven einer Bank bei einer Abwicklung verscherbelt werden müssen, fordern potenzielle Käufer naturgemäss einen substanziellen Preisabschlag – sei dies auf dem Hypotheken- oder Immobilienportfolio. Die dünne Eigenkapitaldecke der CS hätte niemals für eine Abwicklung ausgereicht, ohne die Steuerzahler zur Kasse bitten zu müssen. Um ein Fiasko für den Finanzplatz Schweiz zu verhindern, hat der Bundesrat die UBS deshalb mit Nachdruck «gebeten», ihre Konkurrentin zu übernehmen. Jede andere Option wäre ihm ein zu grosses Risiko gewesen.
«Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch die letzte internationale Grossbank der Schweiz einmal erwischen wird, ist recht gross.»
Als Fazit vorstehender Ausführungen lässt sich schliessen, dass ein zu strikter Fokus auf die Frage, ob man nun Value- oder Growth-Investor ist, nicht zielführend ist. Erstens ist die Unterscheidung zwischen Value und Growth im Einzelfall schwierig, und zweitens ist die starre Ausrichtung auf den einen oder anderen Stil einseitig und gefährlich. Viel wichtiger erscheint uns, den Fokus auf Qualität, ein attraktives und beständiges Geschäftsmodell, eine faire Bewertung, ein verlässliches und ehrliches Management, eine gesunde Bilanz und eine nachhaltige Dividendenpolitik zu legen. Ob am Ende das Gewicht bei einem einzelnen Unternehmen mehr auf Value oder Growth liegt, ist ziemlich irrelevant. Beides ist gleichermassen wichtig.
Jubel in Tokio über einen neuen Aktienrekordstand – aber aufgepasst!
Am Donnerstag, 22. Februar, herrschte Jubel in Tokio. Nach fast unvorstellbaren 35 Jahren übertraf der vielbeachtete Nikkei-225-Index das bisherige Rekordhoch, das er mit 38'957 Punkten am 29. Dezember 1989 erreicht hatte. Nach einer abenteuerlichen Nippon-Euphorie, die Anleger in den 1980er-Jahren weltweit erfasste, platzte damals die Blase und die Schockwellen belasteten das Land der aufgehenden Sonne in der Folge über Jahrzehnte. So schloss der Nikkei das Jahr 2011 bei 8'455 Punkten, fast 80 Prozent unter seinem früheren Höchststand. Weitere 13 Jahre später ist dieses Trübsal endlich überstanden und der Nikkei erreichte ein neues Rekordhoch. Auch der europäische Stoxx Europe 600, der deutsche DAX, der englische FTSE 100 und der amerikanische S&P 500 erreichten im Frühjahr ein Allzeithoch, während der schweizerische SPI bei Drucklegung dieses Schreibens den am 28. Dezember 2021 markierten Höchststand noch nicht ganz erreicht hat. Wer nun den Schluss zieht, dass sich die internationalen Börsen im Vergleich zum Schweizer Aktienmarkt besser entwickelt hätten, macht einen Denkfehler, denn der wichtige Einfluss der Währung bleibt in dieser Betrachtung unbeachtet.
«Es gibt so viele Dinge im Leben, die wichtiger sind als Geld…aber sie kosten so viel!»
Wer als Schweizer Investor in der Referenzwährung Schweizer Franken rechnet, wird unschwer feststellen, dass sich der Nikkei noch glatt verdoppeln muss, um den Höchststand aus dem Jahr 1989 wieder zu erreichen. Das liegt ganz einfach an der Schwäche des Yen, der sich seither halbiert hat. Ähnliches gilt für den europäischen Aktienmarkt. Aufgrund der Schwäche des Euro muss der Stoxx Europe 600 noch signifikant zulegen, bis Schweizer Anleger das alte Höchst wieder erreichen. Was kann aus diesen Ausführungen geschlossen werden? Erstens: Aktienmarktstände auf nicht währungsbereinigter Basis zu vergleichen, ist glatter Nonsens. Leider wird genau das von Analysten und Journalisten immer wieder gemacht. Zweitens: Bei exakt identischen Wertschriftenportfolios sind die Renditen unserer deutschen Kunden, die in Euro gemessen werden, auf Dauer höher als diejenigen unserer Schweizer Kunden, die ihre Abrechnung im harten Schweizer Franken erhalten. Währungsbereinigt haben sie dieselbe oder zumindest eine ähnliche Performance. Mit anderen Worten: Wenn die langfristige Aktienperformance unserer deutschen Kunden im Durchschnitt der Jahre 9 Prozent beträgt und diejenige unserer Schweizer Kunden 7, der Euro in der gleichen Zeit aber um jährlich 2 Prozent abwertet, ist es dasselbe. In der hammerharten Währung Schweizer Franken ist es naturgemäss schwieriger, eine hohe Rendite auszuweisen als in Ländern mit schwächerer Währung.
Staatlicher Pensionsfonds Norwegen: Verzicht auf Private Equity
Aus früheren Kundenbriefen wissen Sie, dass für uns der Staatliche Pensionsfonds Norwegens – bekannt auch als Norwegischer Staats- oder Ölfonds – Vorzeigecharakter hat. Die grösste Vorsorgekasse der Welt umfasst ein Vermögen von rund CHF 1,4 Bio. (CHF 1'400 Mrd.) und ist zu 70 Prozent in börsenkotierten Aktien, 27,5 Prozent in Anleihen und zu 2,5 Prozent in Immobilien investiert. Entsprechend grandios ist der langfristige Renditeausweis – schweizerische Pensionskassen können davon, auch aufgrund fragwürdiger regulatorischer Hindernisse, nur träumen. Das Management-Team um den aktuellen Chef Nicolai Tangen hat vor einiger Zeit den Antrag gestellt, zusätzlich Private Equity im Umfang von 5 Prozent des Gesamtvermögens in das Portfolio des Ölfonds aufzunehmen. Am 12. April hat das norwegische Parlament den Antrag jedoch abgelehnt. In einer Medienkonferenz begründete Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum den Entscheid wie folgt: Erstens würden dadurch die Gebühren im Fonds drastisch steigen. Zweitens sei mit Private Equity eine durchsichtige Performance-Messung kaum möglich. Drittens sei die Transparenz in dieser Anlageklasse ungenügend und viertens sei die politische und gesellschaftliche Überzeugung für eine Aufnahme nicht gegeben. Das sind handfeste Argumente, die uns die Bestätigung liefern, weiterhin auf margenträchtige und renditemässig massiv überschätzte Private-Equity-Anlagen zu verzichten – so lukrativ sie für Anbieter und Vermittler auch sein mögen.
Höhere Margen bei Nestlé: Macht CEO Mark Schneider das Richtige?
Mark Schneider ist seit dem Jahr 2017 Chef des weltweit führenden Nahrungsmittelkonzerns Nestlé. Seit einiger Zeit steht er unter Druck. Bankanalysten und Investoren fordern von Schneider, sich von margenschwachen und gesundheitsproblematischen Divisionen zu trennen und stattdessen margenträchtiges und wachstumsstarkes Geschäft zuzukaufen. Die Strategie soll schliesslich zu einer wertsteigernden Portfoliobereinigung führen. In den USA wurden unter Schneiders Führung bereits die Geschäfte mit Reis-Erdnuss-Drinks, Speiseeis, Wasser und Wurstwaren veräussert. Seit seinem Amtsantritt wurde rund ein Viertel des Sortiments umstrukturiert. Das Ziel von Nestlé ist es, sich vor allem auf das lukrative Geschäft mit Kaffee, Heimtiernahrung, Milch und hochwertige Nahrungsergänzungs- respektive Gesundheitsprodukte (Nutrition) zu konzentrieren, um in diesem weltweit führend zu sein. Gemäss der Meinung vieler Analysten sollte dies schliesslich zu einer Höherbewertung der Aktie führen. Wirklich? Was auf den ersten Blick plausibel erscheinen mag, entpuppt sich in der Praxis als das exakte Gegenteil: Der Aktienkurs von Nestlé entwickelte sich in den vergangenen Jahren im Marktvergleich unterdurchschnittlich und die Bewertung der Aktie ist entgegen den Erwartungen der Analysten so tief wie seit Jahren nicht mehr. Wie ist das zu erklären?
«Wir haben nicht gelernt, schwierige Probleme im Geschäftsleben zu lösen. Was wir gelernt haben: sie zu vermeiden.»
Das Argument, der Tausch von tief- in hochmargiges Geschäft führe fast automatisch zu einer höheren Bewertung der Aktie, ist eine Irrmeinung vieler Analysten. Dies sei an einem fiktiven, aber realitätsnahen Beispiel begründet. Nehmen wir an, Nestlé wolle ungesundes und tiefmargiges Tiefkühlgeschäft wie zum Beispiel Pizza mit einem Gesamtumsatz von CHF 10 Mrd. abstossen. Mit diesem Umsatz erzielt Nestlé eine bescheidene Marge von 5 Prozent, woraus ein Profit von 500 Mio. resultiert. Nun wissen selbstverständlich auch die potenziellen Käufer, dass das Geschäft mit Pizza margenschwach ist, also bezahlen sie einen tiefen Preis, der annahmegemäss beim Zehnfachen des Gewinns liegt. Der Verkaufserlös bringt Nestlé somit CHF 5 Mrd. ein. Mit diesen CHF 5 Mrd. will Nestlé lukrativeres Geschäft im Bereich Nutrition, das 25 Prozent Marge verspricht, zukaufen. Die entscheidende Frage lautet nun: Wieviel lukrativen Nutrition-Umsatz kann Mark Schneider mit dem Verkaufserlös von CHF 5 Mrd. kaufen? Wiederum CHF 10 Mrd.? Nein, natürlich nicht, denn das lukrative Geschäft ist naturgemäss wesentlich teurer als das lahme, margenschwache Pizza-Geschäft. Kauft sich Nestlé nur gerade mit CHF 1 Mrd. Umsatz bei Nutrition ein, resultiert bei einer Marge von 25 Prozent ein Gewinn von CHF 250 Mio. Da darüber hinaus die Wachstumschancen von Nutrition viel höher liegen als im Pizza-Geschäft, wird Nestlé beispielsweise den 20-fachen Gewinn für das hochmargige Geschäft bezahlen müssen. Für einen Nutrition-Umsatz von einer Milliarde zahlt Nestlé folglich exakt den Gegenwert von CHF 5 Mrd., welchen der tiefmargige Umsatz von CHF 10 Mrd. mit Tiefkühlprodukten einbrachte – und dies geht erst noch mit einer vorübergehenden Halbierung des Gewinns von CHF 500 auf 250 Mio. einher.
«Wir alle wären bessere Investoren, wenn wir einfach weniger Entscheidungen treffen würden.»
Was ist das Fazit? Es ist eine Illusion zu glauben, dass der Tausch von tiefmargigem gegen hochmargiges Geschäft fast gottgegeben zu einer Höherbewertung einer Aktie führen würde. Der Markt und die Marktpreise der Transaktionen sind sehr effizient: Für hochmargiges Geschäft, das höheres Wachstum verspricht, werden viel höhere Preise bezahlt – there is no free lunch. Nach erfolgtem Umbau resultiert im Falle von Nestlé zumindest vorübergehend ein Unternehmen mit weniger Umsatz und tieferem Gewinn, aber mit attraktiveren Margen und höheren, aber auch unsichereren Wachstumschancen. Ob die Strategie von Mark Schneider aufgehen wird, lässt sich deshalb erst in einigen Jahren definitiv beurteilen. Folglich sind unsere hier skizzierten Überlegungen weder als Kritik noch als Bestätigung der Strategie von Mark Schneider zu verstehen. Entgegen der einhelligen Forderung vieler Bankanalysten sind wir aber der Meinung, dass es im Falle von Nestlé durchaus Sinn machen kann, am Geschäft mit Süssigkeiten, zu denen Kitkat-Riegel, Tiefkühlprodukte und Getränke mit hohem Zuckergehalt wie Nesquik oder Milo gehören, festzuhalten und die Chancen und Risiken einer Strategieänderung differenziert zu beurteilen. Ausser Frage steht für uns die Tatsache, dass Nestlé als führender Nahrungsmittelkonzern langfristig in jedes Aktienportfolio gehört und zwischenzeitliche Kursschwächen genutzt werden können, um Positionen antizyklisch aufzustocken.
Nick Hayek und die Swatch Group: Ein Dilemma für Investoren
Als Anhänger der Diversifikation ist uns bewusst, dass es in einem breit gestreuten Aktienportfolio immer auch ein paar Aktien von Unternehmen gibt, die enttäuschen. Eine der grössten Enttäuschungen der letzten Jahre ist sicherlich die Aktie des Uhren- und Schmuckkonzerns Swatch Group. Zurecht werden wir von Kundinnen und Kunden immer mal wieder auf die im Vergleich zu anderen Aktien des Luxusgüterbereichs – insbesondere LVMH und Richemont – enttäuschende Kursentwicklung angesprochen und gefragt, warum wir diesen Titel denn nicht verkaufen würden. In der Tat stecken wir bei diesem Unternehmen in einem Dilemma. Das grosse Problem bei Swatch ist ihr Konzernchef und Hauptaktionär Nick Hayek, der seine Mitaktionäre, die die Mehrheit am Unternehmen besitzen, wie Dreck behandelt. Als Michael Niedzielski, Fondsmanager und Chief Investment Officer von ROCE Capital in Paris, anlässlich einer Telefonkonferenz vom 23. Januar im Namen vieler Mitaktionäre seinen Frust über die Kursentwicklung der Swatch Group zum Ausdruck brachte, entgegnete Nick Hayek: «Die grössten Aktionäre der Swatch Group sind meine Familie und ich. Wir sind nicht frustriert…Sie dagegen sind irrelevant. Es steht Ihnen frei, Ihre Aktien zu verkaufen.»
«Arroganz ist eine Schwäche, um Stärke vorzutäuschen.»
Die Telefonkonferenz gipfelte in einer Tirade von Hayek gegen Analysten und Investoren. Er führt das Unternehmen, als würde es gänzlich ihm gehören. Dabei kontrolliert die Familie Hayek «nur» 43,3 Prozent der Stimmen und gut 25 Prozent des Kapitals. So geht man nicht mit seinen Miteigentümerinnen und Miteigentümern um – es ist eine eklatante Führungs- und Charakterschwäche des charismatischen und eigenwilligen Konzernchefs. Insgesamt gäbe es somit gute Gründe, die Aktie zu verkaufen. Wichtig zu betonen ist jedoch, dass – notabene exakt infolge der genannten Gründe – die Aktie Swatch im Grunde spottbillig ist. Allein die Immobilien, die Cash- und die Lagerbestände sind zusammengenommen mehr wert als die gesamte Börsenkapitalisierung. Dazu kommt der hohe Wert, den Marken wie Breguet, Blancpain, Longines, Omega und Swatch verkörpern.
«Arroganz ist der Kunstdünger des Selbstwertgefühls.»
Unsere Hoffnung bei Swatch liegt im Wesentlichen darin, dass es irgendwann zu einem Umdenken oder zu einem Wechsel in der Konzernführung kommt, um das brachliegende Potenzial für die Aktionäre besser zu nutzen. Die Swatch Group verfügt über einen hohen Substanzwert und eine tiefe Verschuldung, was uns gefällt. Im Bewusstsein, dass unsere Hoffnung mit Risiken behaftet ist, ist es für uns aus heutiger Sicht keine Option, den Bettel in prozyklischer Manier hinzuwerfen, auch wenn uns die Manieren und das Auftreten von Nick Hayek ein gewaltiger Dorn im Auge sind. Wir werden dranbleiben und unsere Entscheidung laufend überprüfen.
Sergio Ermotti und UBS: Sie lernen es nie
Seit der vom Bundesrat faktisch verordneten Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS ist bereits wieder über ein Jahr vergangen. Präsident Colm Kelleher und CEO Sergio Ermotti sind bemüht, den neuen Supertanker des Schweizer Finanzplatzes flott zu machen. Es gibt ermutigende Anzeichen, dass sie auf gutem Weg sind, auch wenn dieser noch lang ist. Aufschreie gab es jedoch Ende März, als öffentlich wurde, dass sich Ermotti als Chef der Bank für die ersten 9 Monate seiner Amtszeit die Summe von CHF 14,4 Mio. vergüten liess. Das ist nicht nachvollziehbar, denn die UBS ist ein quasistaatliches Geldhaus, das im Jahr 2008 selbst schon vom Staat vor dem Untergang gerettet werden musste. Sie geniesst eine faktische Staatsgarantie, obwohl Ermotti in diversen Medienauftritten das Gegenteil behauptet – glaubt er das nach den Erfahrungen der Vergangenheit allen Ernstes? Das Abtreten des Konkursrisikos an den Steuerzahler müsste eigentlich ein schlagendes Argument sein, dass die Verantwortlichen in ihrer Salarierung endlich Zurückhaltung zeigen. Fehlanzeige: Indem sie jedes Mass vermissen lassen, werden sie unter dem Aufschrei der politischen Linken zu Totengräbern der freien Marktwirtschaft.
Unverständlich ist, dass sich Banker wie Colm Kelleher und Sergio Ermotti nach all den Bankenskandalen nach wie vor auf den Standpunkt stellen, die heutigen Eigenkapitalanforderungen an systemrelevante Banken wie die UBS würden genügen. Dem widerspricht der emeritierte Professor am Institut für Banking und Finance der Universität Zürich, Urs Birchler, vehement. Der langjährige Direktor der Organisationseinheit Finanzstabilität der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und Leiter der Forschungsgruppe im Basler Ausschuss für Bankenregulierung bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) macht sich für markant höhere Eigenkapitalquoten systemrelevanter Banken stark.
«Es braucht drei Dinge: Eigenmittel, Eigenmittel und Eigenmittel…Die implizite Staatsgarantie verdirbt den Banken den Appetit, mittels Eigenmittel ihre Risiken selbst zu tragen. Deshalb klagen grosse Banken über die angeblich teuren Eigenmittel. Eigenmittel sind aber nur teuer für diejenigen, die zu wenig davon haben und ihre Risiken dem Staat überlassen…Viele Banken müssen das Velorennen bergauf bestreiten. Die UBS darf dank impliziter Staatsgarantie bergab fahren.»
Fast könnte man glauben, der Absturz der UBS während der Finanzkrise und der Kollaps der CS im letzten Jahr seien bloss Märchenerzählungen. Die Saat für weiteres Ungemach wird heute ausgesät: Wenn sich gewisse Banker als heldenhafte Retter des Schweizer Finanzplatzes aufführen und bereits wieder die Bodenhaftung verlieren, dröhnen die Alarmglocken. Die Erfahrung aus der Finanzgeschichte lehrt uns leider: Nach der Bankenkrise ist vor der Bankenkrise – nur wissen wir nicht, wann es wieder knallen wird. Das Gebaren der Bankspitzen ändert aber nichts daran, dass unsere Ansprechpersonen bei UBS – eine unserer Hauptdepotbanken – im Tagesgeschäft sehr gute und engagierte Arbeit leisten.
Aus dem Hause UBS gibt es auch Amüsantes zu berichten. Im Frühsommer 2023 setzte Bosco Ojeda, Head of European Small Caps, die Aktien des Berner Stromkonzerns BKW auf «sell» – ein zwischenzeitlicher Kurssturz war die Folge. Gemäss dem Online-Medienportal IP soll daraufhin der CEO der BKW, Robert Itschner, bei Sergio Ermotti persönlich vorgesprochen und sich beschwert haben. Die BKW sei ein wichtiger Kunde der UBS und zahle darüber hinaus einen 5-stelligen Betrag, um vom Research der Bank abgedeckt zu werden. Es stellt sich die Frage: Was ist ein Research einer Bank wert, wenn die Analyse vom Unternehmen selbst bezahlt wird und damit nicht unabhängig ist? Ein paar Monate später schrieb Bosco Ojeda auf seinem LinkedIn-Profil: «I am happy to share that after 25 years in UBS I am starting a new position.» Ojeda arbeitet nicht mehr bei der UBS – und die Bank hat die Aktien ihrer Kundin BKW zwischenzeitlich wieder von «sell» auf «buy» hochgestuft.
Mässig amüsiert haben wir uns darüber, dass uns in den letzten Monaten mehrere Kundenberater der UBS/CS mit der Anfrage konfrontiert haben, ob wir grössere Unternehmerkunden hätten, die die Aktien ihres Familienunternehmens kostenfrei zum Steuerwert in das von uns verwaltete Wertschriftenportfolio einliefern möchten. Folglich könnte die UBS/CS dies als Nettoneugeld bei ihren ausgewiesenen Vermögen verbuchen. Es ist fast nicht zu glauben: Sie könnten somit die Aktien Ihres Garagen-, Schreinerei- oder Industriebetriebs zum Steuerwert in Ihr von uns verwaltetes Portfolio einliefern – die Depotbank, die in diesem Fall gar nichts zu managen hat, würde sich in der Folge damit brüsten, ihre «assets under management» gesteigert zu haben. Selbstverständlich bieten wir für solche «Schlaumeiereien» niemals unsere Unterstützung an. Die erstaunliche Kreativität, Zahlen aufzupolieren, ist gelinde gesagt bemerkenswert und abenteuerlich.
Bitcoin: Raus aus der Schmuddelecke?
Im Januar ist für die Anhänger von Kryptowährungen ein Traum in Erfüllung gegangen. Die Zulassung von börsengehandelten Exchange Traded Funds (ETF) auf den Bitcoin durch die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC war für sie ein historischer Moment. ETF ermöglichen, mit Bitcoin zu spekulieren, ohne selbst die technischen Herausforderungen einer Bitcoin-Wallet oder die Sicherung der Zugangsschlüssel bewältigen zu müssen. Damit ist der Bitcoin nicht nur für Pensionskassen, Banken und Vermögensverwalter besser zugänglich, sondern für jedermann. Mittels ETF wird die Krypto-Leitwährung einfach und günstig handelbar. Entsprechend ist der Wert eines Bitcoins seit der Zulassung deutlich angestiegen.
Den Entscheid hat die SEC und dessen Krypto-feindlicher Chef Gary Gensler nach einem zehnjährigen Streit mit der Branche widerwillig und unter Zwang gefällt. Die Zulassung unausweichlich gemacht hat schliesslich ein Urteil eines amerikanischen Gerichts im August letzten Jahres. Die SEC machte aber klar, dass sie trotz grünem Licht gar nichts von digitalen Vermögenswerten hält. Auch der ehemalige Leiter des Office of Internet Enforcement bei der SEC, John Reed Stark, hat die Antragsteller für Bitcoin-ETF auf X (vormals Twitter) als «opportunistische Kartelle» bezeichnet. Sie würden versuchen, aus einem Produkt Profit zu schlagen, das «keinen inhärenten Wert habe und im Grunde betrügerisch sei.» Tatsächlich würde der Preis von Bitcoin weiterhin an unregulierten Märkten gemacht, wo Manipulation Teil des Geschäfts sei.
«Man gibt also dem ganzen Krypto-Geschäft einen seriösen Anstrich, obwohl es ideal ist für dubiose Geschäfte. So haben die Banken dann guten Grund, das nun geadelte Spekulationsvehikel zu benutzen und Kopf und Kragen zu riskieren. Kein Problem, ist ja nicht ihr Kopf und Kragen.»
Seit dem 21. Februar können nun auch die Kundinnen und Kunden der staatlichen Postfinance zahlreiche Digitalwährungen handeln. Es sei «ein Meilenstein in unserer Firmengeschichte», verkündete Alexander Thoma, Head Digital Assets, anlässlich der Lancierung über die Medien. Die Postfinance spricht von einem «Zugang zum Kryptomarkt für alle» und einer eigentlichen «Demokratisierung», die nun stattfinden würde. Auch ihr Chief Investment Officer, Philipp Merkt, versprüht Begeisterung: «Neben den traditionellen Anlageklassen Cash, Obligationen und Aktien sind Kryptowährungen eine attraktive Anlagemöglichkeit innerhalb der alternativen Anlagen, wie Immobilien und Rohstoffe.» Bitcoin & Co. auf Augenhöhe mit Aktien und Immobilien: Damit sind die digitalen Währungen definitiv in den Portfolios von Frau Schweizerin und Herrn Schweizer angekommen. Weshalb viele Banken ihren Kundinnen und Kunden bei dieser Lobhudelei «nur» einen Anteil von 5 Prozent an ihren Wertschriftenvermögen empfehlen und nicht viel mehr, wirft die Frage auf, ob sie denn wirklich von dieser Anlage überzeugt sind. Ironisch gefragt: Sollte die jährliche Renditeerwartung von Bitcoin tatsächlich bei 20, 30 oder 50 Prozent liegen, dann müsste doch der empfohlene Anteil eher bei 50 oder gar 80 Prozent liegen – warum nur 3 oder 5 Prozent?
Es ist erstaunlich, wie beliebt der Bitcoin und andere Kryptowährungen bei Anlegern immer noch sind, obwohl zwischenzeitlich mehrere führende Exponenten der Branche verhaftet wurden oder sich vor Gericht verantworten mussten. Zu ihnen zählen der FTX-Gründer Sam Bankman-Fried (für Geschädigte wohl eher Bankman-Fraud), der zu 25 Jahren Gefängnis verdonnert wurde, sowie der Binance-Zampano Changpeng Zhao. Zhao soll amerikanische Anti-Geldwäscherei-Bestimmungen verletzt und weit über 100'000 verdächtige Transaktionen, die mit Cyberangriffen, sexuellem Missbrauch von Kindern, Drogenhandel und terroristischen Gruppen wie al-Kaida und IS in Verbindung stehen, nicht gemeldet haben. Der chinesisch-kanadische Gründer der weltweit grössten Krypto-Börse soll überdies Milliarden von Kundeneinlagen in von ihm privat verwaltete, unregulierte Fonds verschoben und Krypto-Kurse künstlich aufgebläht haben. Weil Zhao sich gegen Zahlung einer Milliardensumme für schuldig bekannt hat, beträgt seine Gefängnisstrafe «nur» vier Monate.
«Jetzt ist es Zeit, Vertrauen aufzubauen.»
Auch der Fussballstar Cristiano Ronaldo sowie die amerikanische Football-Legende Tom Brady müssen sich vor Gericht verantworten, weil sie für Binance und FTX medienwirksam geworben haben. Bei all diesen Betrügereien ist verwunderlich, dass Finanzgiganten wie die amerikanische Blackrock, der grösste Vermögensverwalter der Welt, mit Hochdruck die Bewilligung für Bitcoin-ETF gefordert haben. Zur Erinnerung: Noch im Jahr 2017 sagte der charismatische Chef von Blackrock, Larry Fink: «Bitcoin zeigt, wie gross die Nachfrage nach Geldwäsche in der Welt ist.» Zwischenzeitlich wandelte er sich vom Saulus zum Paulus, indem er nun vom «digitalen Gold» und von der «Flucht in Qualität» spricht – hat die Geldgier seinen klaren Verstand vernebelt? Die Eltern von Sam Bankman-Fried waren beide Professoren an der renommierten Stanford University. Seine Mutter Barbara ist Expertin für Rechtsethik. In einem 2013 publizierten Beitrag schreibt sie, dass in den Vereinigten Staaten von Amerika das Einkommen der Eltern und die Ausbildung die entscheidenden Faktoren seien, ob ein Kind dereinst in der Chefetage oder im Gefängnis landet. Ihr Sohn hat beides geschafft.
Mit Dr. Peter Meier, einem ehemaligen Dozenten der ZHAW Winterthur, gibt es in der Schweiz einen akademischen Befürworter von Bitcoin. So schreibt er in einem Beitrag der Pensionskassenzeitschrift «Schweizer Personalvorsorge» im November 2023: «Auch wenn der Wachstumstrend des Bitcoin-Werts künftig stark zurückgeht, sind die mit Bitcoin zu erzielenden Renditen aber im Vergleich zu traditionellen Anlagen immer noch extrem hoch.» Obwohl sich Pensionskassen noch zögernd mit Kryptoanlagen befassen würden, gäbe es keine grundsätzlichen Einwände gegen entsprechende Investitionen. Tja, wenn «Wissenschaftler» derart unkritisch von diesen umstrittenen Anlagen schwärmen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn viele Absolventen von Hochschulen und Universitäten ihr Studium als anlagetechnische Analphabeten beenden.
Immerhin, es gibt sie noch, die standhaften Kritiker von Kryptowährungen. So wetterte der Chef der grössten amerikanischen Bank JP Morgan Chase, Jamie Dimon, in einer Rede bei der jährlichen Anhörung des Bankenausschusses des Senats zur Aufsicht der Wall Street gegen den Bitcoin sowie andere Kryptowährungen und schlug vor, Kryptowährungen zu verbieten.
«Der einzige wirkliche Anwendungsfall dafür sind Kriminelle, Drogenhändler…Geldwäsche, Steuervermeidung. Wenn ich die Regierung wäre, würde ich die Kryptowährungsbranche schliessen.»
Erinnern Sie sich an die Euphorie um Non-fungible Tokens (NFT)? NFT sind digitale Vermögenswerte wie beispielsweise Bilder, die in Kryptowährungen gekauft und verkauft werden und deren Eigentum durch die Blockchain gesichert ist. Die NFT-Blase erreichte im Sommer 2021 ihren Höhepunkt – so wurde beispielsweise ein digitaler Stein, der ohne jeden Nutzen ist, für eine Million Dollar gehandelt. Der NFT-Wahn fusste primär auf dem billigen Geld, mit dem die Notenbanken die Finanzmärkte jahrelang fluteten. Es lockten die schnellen Gewinne. Im Jahr 2023 brach der NFT-Markt zusammen. Gemäss Daten des Kryptoanalysehauses dappGambl sind zwischenzeitlich über 95 Prozent der existierenden NFT faktisch wertlos.
«Wir haben Bitcoin weder gebilligt noch unterstützt. Bitcoin ist in erster Linie ein spekulativer, volatiler Vermögenswert, der auch für illegale Aktivitäten wie Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verwendet wird.»
Ursprünglich wurde der Bitcoin von libertären Enthusiasten als Instrument gefeiert, um der staatlichen Aufsicht, einem drohenden Staatsbankrott und dem traditionellen Währungssystem zu entfliehen. Dieselben Fans feierten Anfang Jahr die Genehmigung von ETF, die den Bitcoin nun aber exakt in dieses traditionelle Finanzsystem integrieren, das sie eigentlich umgehen wollten – ein klassisches Paradoxon. Hilary J. Allen, Jura-Professorin am American University Washington College Law in Washington, weist in einem Interview der «NZZ» darauf hin, dass der Bitcoin ursprünglich als Zahlungsmechanismus geschaffen wurde. Weil dieses Experiment komplett gescheitert sei, hätten manche angefangen, Bitcoin als «Vermögenswert» zu betrachten. Die gehandelten Werte seien dabei aus dem Nichts geschaffen worden, weshalb die ganze Krypto-Szene keine Bedeutung und auch keinen Wert habe. Selbst bezüglich der hochgelobten Blockchain-Technologie gibt sie sich skeptisch: «Blockchains sind intrinsisch deutlich weniger effizient als andere Datenbanken und Zahlungsmethoden. So scheint der einzige Sinn und Zweck der Szene darin zu bestehen, interessierten Leuten die Möglichkeit zu geben, Wetten abzuschliessen.» Wie Jamie Dimon spricht sich Hilary J. Allen angesichts der ökonomischen und ökologischen Schäden der Mining-Aktivitäten für ein Verbot von Kryptowährungen aus.
«Ja, bis zu einem gewissen Grad. Im Unterschied zu den Hacks und Diebstählen in der Krypto-Szene ist der Spieler in Las Vegas aber immerhin sicher, dass ihm keiner die Chips vom Tisch klaut…Ich habe naiverweise völlig unterschätzt, wie betrügerisch die Krypto-Szene ist.»
Zum Glück gibt es auch in der Schweiz vernünftige Exponenten in der Wissenschaft. In einem Beitrag der «Finanz und Wirtschaft» vom 21. Dezember 2022 schrieb Hans-Joachim Voth, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich: «Viele der frühen Investoren sahen in Kryptowährungen die Verheissung eines neuen Finanzsystems, ohne Zentralbanken, ohne staatliche Überwachung…Wirklich nützlich sind Kryptowährungen nur für illegale Transaktionen. Weil Kryptowährungen schwer nachvollziehbar sind, sind sie bei Drogenhändlern, Geldwäschern, Waffenschiebern und Erpressern beliebt…Die Idee, mit der Blockchain sichere automatisierte Transaktionen auszulösen, ist attraktiv, doch trotz aller Investitionen im Sektor ist kein technischer Durchbruch erkennbar, der den traditionellen Clearing Houses überlegen wäre.»
In Luft aufgelöst hat sich die vor gut zwei Jahren von der «Crypto Queen» Olga Feldmeier an die Börse gebrachte Kryptohandelsplattform Smart Valor. Nach Vernichtung von über 99 Prozent des Börsenwerts wurde die Aktie dekotiert. Nichtsdestotrotz wurde in einer abschliessenden Pressemitteilung mehrfach auf die «erfolgreiche Umsetzung eines überzeichneten Börsengangs» hingewiesen. Was für ein Hohn für alle Investoren, die mit ihrem Einsatz faktisch einen Totalverlust erlitten haben.
«Kryptos stehen für rein spekulatives Glücksspiel, und in den 14 Jahren, die es sie gibt, haben sie keinen Nutzen gezeigt, der über reine Spekulation und illegalen Geldtransfer hinausgeht.»
Geradezu niederschmetternd äussert sich die Europäische Zentralbank (EZB) zum Bitcoin. Im Ende Februar veröffentlichten Blog «ETF approval for bitcoin – the naked emperor’s new clothes» üben die beiden Verfasser Ulrich Bindseil, Generaldirektor der Abteilung Marktinfrastruktur und Zahlungsverkehr, und sein Mitarbeiter Jürgen Schaaf scharfe Kritik an der Kryptowährung und warnen vor einem Totalabsturz. Der faire Wert eines Bitcoins, der in gravierendem Masse für kriminelle Zwecke genutzt werde, liege bei null. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis er wertlos werde. Die EZB pocht auf eine stärkere Regulierung oder noch lieber auf ein faktisches Verbot, um Kleinanleger zu schützen. Dass der faire Wert eines Bitcoins bei null liege, begründen die Autoren des Blogs wie folgt: Er generiere keinen Cashflow (wie bei Immobilien), keine Dividenden (wie bei Aktien), könne nicht produktiv genutzt werden (wie Rohstoffe) und bringe keine sozialen Vorteile (wie Gold für die Schmuckindustrie). Hingegen finanziere Krypto den Terrorismus, Geldwäsche und Cyberkriminelle. Bindseil und Schaaf ziehen ein kompromissloses Fazit: «Die Marktkapitalisierung des Bitcoins quantifiziert den sozialen Schaden, der entstehen wird, wenn das Kartenhaus kollabieren wird.»
«Heute sind Transaktionen in Bitcoin immer noch kompliziert, langsam und kostenintensiv. Ausserhalb des Darknets, das für kriminelle Aktivitäten genutzt wird, gibt es kaum legale Zahlungen.»
Fragt man Experten aus der Krypto-Szene, was denn die Gründe für den fulminanten Anstieg des Bitcoins seien, erhält man immer dieselben Antworten. Erstens biete er sich als exzellente Diversifikation zur traditionellen Vermögensanlage an, zweitens sei das Angebot auf 21 Millionen Stück begrenzt, und drittens würde die Anzahl neu ausgegebener Bitcoins etwa alle vier Jahre halbiert (sogenanntes «Halving»). Alle diese Argumente überzeugen nicht einmal im Ansatz. Vielmehr gibt es nach unserer Überzeugung primär einen einzigen Grund für die Kursexplosion des Bitcoins: FOMO – Fear Of Missing Out! Im Rausch der Kurssteigerungen ist es schlicht und einfach die Angst vieler Anleger, sie könnten etwas verpassen, wenn sie abseitsstehen. Wir erinnern uns: Beim Start im Jahr 2008 kostete ein Bitcoin 0,8 Rappen. Drei Jahre später knackte die Kryptowährung die Marke von CHF 10 – mehr als das Tausendfache. Im Juni lag der Kurs bei über CHF 60'000. Wenn Aktien im Zeitverlauf kräftig steigen, gibt es fundamentale Gründe dafür: Die Umsätze sowie die Gewinne der Unternehmen steigen, so dass höhere Dividenden an die Aktionäre ausbezahlt werden können. Was ist bei Bitcoin seit dem Geburtsjahr 2008 passiert? Nichts! Ein Bitcoin bleibt ein Bitcoin – ohne inneren Wert, ohne produktiven Hintergrund, ohne Dividende, ohne Zins, aber mit viel heisser Luft.
Ist wirklich alles wertlos, was mit Krypto zusammenhängt? Nein, das glauben wir nicht. Wie die Leiterin der Fakultät für Kommunikation an der Hochschule für Journalismus und Medien in Lausanne, Myret Zaki, in einem Beitrag der Online-Zeitung «The Market» festhält, gibt es mit den Real World Assets (RWA) eine Krypto-Anlageform, die solide ist. Dabei geht es um die Tokenisierung von Vermögenswerten, die in der physischen Welt existieren und auf die Blockchain gebracht werden. Zaki schreibt: «Die Token ermöglichen es den Investoren, auf sicherste Art und Weise reale Anlagen von nachgewiesenem Wert zu besitzen. Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass die Tokenisierung von physischen Vermögenswerten wie Immobilien, Krediten, Anleihen, Rohstoffen oder Kunst die Art des Besitzes und die Investition der Zukunft ist.» Die Argumentation von Myret Zaki ist nachvollziehbar. Wir sind gespannt, was die Zukunft bringt. Überschwängliche Euphorie ist jedenfalls aus heutiger Sicht nicht angezeigt und Anlagen in Kryptowährungen für uns ausserhalb aller Traktanden.
Luftschlösser auch am Aktienmarkt
Zur «Ehrenrettung» der Krypto-Fans ist uns der Hinweis wichtig, dass auch am Aktienmarkt Luftschlösser gebaut werden. Wir erinnern uns an den Hype um sogenannte Meme-Aktien während der Corona-Zeit. Damals wurde zum Beispiel der Videospiele-Händler GameStop in schwindelerregende Höhe getrieben, bis das Kartenhaus einstürzte – ganz verflogen ist der Meme-Hype allerdings bis heute nicht.
«Das schönste aller Geheimnisse ist, ein Genie zu sein – und es als Einziger zu wissen.»
Ende März brachte der umstrittene amerikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump sein im Jahr 2022 gegründetes soziales Netzwerk, Truth Social, an die Technologiebörse NASDAQ. Truth Social hat weniger als 5 Millionen Nutzer. Zum Vergleich: Bei Tiktok sind es mehr als 2 Milliarden und bei Facebook mehr als 3 Milliarden. Das Unternehmen machte im Jahr 2023 gerade einmal einen Umsatz von USD 4 Mio. und schrieb einen Verlust von USD 58 Mio. Trotzdem erreichte die Börsenkapitalisierung der Trump Media & Technology Group nach dem Börsenstart absurde USD 10 Mrd. Dies wurde möglich, weil sich glühende Trump-Anhänger über die sozialen Netzwerke organisiert haben, um den Aktienkurs mit heisser Luft zu befeuern. Es ist reine Spekulation und der Kurs der Aktie entbehrt, ähnlich wie bei Kryptoanlagen, jeder fundamentalen Grundlage.
Die strittige Rolle der Aufsichtsbehörde FINMA
Seit 2023 sind wir der schweizerischen Aufsichtsbehörde FINMA unterstellt. Unschwer konnten wir seither feststellen, dass sich unser bürokratischer Aufwand dadurch exponentiell erhöht hat. Ausführliche Risikoaufklärungen und ausufernde Kennziffernberechnungen im Kontext von Kundenbeziehungen, aufwendige Aufarbeitungen von internen und externen Compliance- und Risiko-Managern sowie regelmässig abzuhaltende Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratssitzungen gehören zu unserem Alltag. Diese «Kröte» ist für ein Unternehmen, das noch nie mit dem Gesetz und mit Kunden in Konflikt geraten und noch nie juristisch belangt worden ist (welche Bank oder welches Vermögensverwaltungsunternehmen kann das von sich behaupten?), nicht immer einfach zu schlucken, denn sie verursacht erhebliche Kosten, ohne dass unseren geschätzten Kundinnen und Kunden und uns daraus ein Nutzen entsteht. Gesetz ist Gesetz – wir können es nicht ändern und haben es zu akzeptieren. Erhellend in diesem Zusammenhang ist aber eine Mitteilung der FINMA in ihrem Bericht zum Untergang der Credit Suisse, den sie Ende des vorigen Jahres veröffentlicht hat. Demgemäss hat die FINMA für die Aufsichtsprüfung der Grossbank durchschnittlich 37'000 Stunden (!) pro Jahr aufgewendet. Seit 2012 hat die FINMA 14 Enforcement-Verfahren, 16 Strafanzeigen und 43 Vorabklärungen gegen die Bank eingeleitet. All dies hat offenbar zu keinem Umdenken im zweitgrössten schweizerischen Finanzinstitut geführt. Im Gegenteil: Die Verantwortlichen zeigten sich notorisch renitent. Und was tat die FINMA? Alles im grünen Bereich, wie diese noch am Abend des 15. März 2023 öffentlich verkündete: «Die Credit Suisse erfüllt die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen an Kapital und Liquidität». Vier Tage später war die Credit Suisse Geschichte.
«Genutzt hatte es nichts. Die wildeste Grossbank der Welt hatte die Regulatoren heillos überfordert.»
In einem Interview der «Samstagsrundschau» von Radio SRF sagte Marlene Amstad, Präsidentin der FINMA, dass nun insgesamt 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörde allein für die Beaufsichtigung der «neuen» UBS zuständig seien – das Kontingent ist massiv aufgestockt worden. Das irritiert. 37'000 Stunden Aufsicht pro Jahr haben bei der CS nichts genützt, jetzt sollen es geschätzte 100'000 Stunden pro Jahr richten? Es stellt sich die Frage, was diese Aufsicht denn wirklich nützt und wer am Ende die Banken führen soll – das Management oder die Aufsicht? Sicher ist, dass sich Anstand, Ehrlichkeit und Charakter nicht behördlich verordnen lassen. Als Anhänger des Liberalismus wäre es nach unserer Überzeugung deshalb zweckmässiger, bei systemrelevanten Banken viel höhere Eigenmittel einzufordern und Institute mit notorisch unfähigem und unbelehrbarem Management untergehen zu lassen. Das würde die Aufgabe der Prüfer massiv vereinfachen und der Wettbewerb würde dafür sorgen, dass die Fitten überleben und die Unfähigen vom Markt verschwinden. In einem Punkt sind wir mit der FINMA-Präsidentin Amstad aber durchaus einig. Sie fordert, dass die Aufsicht in Zukunft nicht nur öffentlich tadeln, sondern auch Bussen an fehlbare Banken und Banker erteilen kann. Das ist bis heute gesetzlich nicht vorgesehen.
«Die Frage muss erlaubt sein: Wenn man falsch parkiert, reicht es dann als Prävention, wenn man das Auto nur umparkieren muss? So ist es nämlich heute bei Banken.»
Kick-backs, Interessenkollisionen und Geldwäscherei: In der Finanzbranche immer noch an der Tagesordnung
Im Jahr 2006 hat das schweizerische Bundesgericht ein erstes Urteil gefällt, dass Retrozessionen respektive Kick-backs aller Art dem Kunden gehören. Seither hat es weitere Gerichtsurteile gegeben, die diesen Entscheid bestätigt und präzisiert haben. Umso unverständlicher ist es, dass diese verwerflichen und meistens versteckt fliessenden Gebühren in der Banken- respektive Finanzbranche nach wie vor Usanz sind. Dass dies bei den Geldhäusern zu unsäglichen Interessenkollisionen führt, die nicht im Sinne der Kunden sind, liegt auf der Hand. Wir empfehlen Ihnen die Lektüre des anliegenden Leitartikels des Schreibenden, der am 15. Juni in der «Finanz und Wirtschaft» erschienen ist.
«Es ist möglich. Weggeschaut habe ich nicht, ich habe aber auch nicht hingeschaut.»
Gemäss der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) gab es in der Schweiz im Jahr 2023 insgesamt 11'876 Verdachtsfälle wegen Geldwäscherei und Korruption. Angesichts dessen, dass sowohl der Bundesrat wie auch die Schweizerische Bankiervereinigung schon vor vielen Jahren die Weissgeldstrategie verkündeten, ist das erstaunlich. Erschreckend ist dabei die Tatsache, dass sich die Meldungen gegenüber dem Vorjahr um 56 Prozent erhöhten und innerhalb von 10 Jahren glatt verzehnfachten. Wir fragen uns: Was sind denn das für Gelder von dubiosen Anlegerinnen und Anlegern, die immer noch auf Schweizer Bankkonten schlummern? Im Sinne voller Transparenz und mit einem gewissen Stolz dürfen wir Ihnen versichern: In den 38 Jahren unserer Geschäftstätigkeit hatten wir keinen einzigen Kunden, den wir wegen Verdachts auf dubiose Geschäfte und Handlungen melden mussten. Keinen. Wir werden alles daransetzen, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird.
Ein Blick zurück und nach vorne
Wie Sie bestens wissen, halten wir von kurz- und mittelfristigen Börsenprognosen nichts, vielmehr aber von einer langfristig verlässlichen Anlagestrategie, die auf die richtigen und erfolgsversprechenden Anlagen mit erstklassiger Qualität setzt. Wie unsicher Prognosen sind, zeigt ein Blick zurück: Am 13. November 2023 orakelte der Chefstratege der UBS Investment Bank, Bhanu Baweja, dass die amerikanische Notenbank Fed das Zielband für ihren Leitzins von 5,25 bis 5,5 Prozent bis Ende 2024 auf 2,5 bis 2,75 Prozent senken könnte. UBS ging davon aus, dass die amerikanische Inflation deutlich sinken, die Wirtschaft stark abkühlen und im Jahresverlauf sogar leicht rezessiv würde – aus heutiger Sicht eine monumentale Fehlprognose. Wir halten uns an die Fakten und bleiben für die Aktienmärkte langfristig optimistisch, auch wenn bei aller Freude über die aktuell positive Stimmung nicht vergessen werden darf, dass es immer Risiken in einer unsicheren Welt gibt. Im November stehen die vielbeachteten Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika an – das Duell zwischen Joe Biden und Donald Trump birgt surreale Züge, die wir hier nicht weiter vertiefen und kommentieren möchten. Wichtig erscheint uns hingegen der Hinweis, dass die Frage, ob nun ein demokratischer oder republikanischer Präsident besser für die Börsen sein würde, überschätzt wird. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass die Entwicklung an den Aktienmärkten nur sehr bedingt von präsidialen Entscheidungen abhängig ist. Wir erinnern uns: Nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten war die erste Reaktion der Börse im Herbst 2016 schockartig negativ. Die Börsen brachen ein, um kurz darauf in Euphorie neue Höchstwerte zu erklimmen.
«Trump könnte mit ähnlich hoher Wahrscheinlichkeit im Gefängnis oder im Weissen Haus landen.»
Unabhängig vom Ausgang der Wahlen in den USA sind wir überzeugt, dass bei allem Optimismus ein Risiko besonders im Auge behalten werden muss, welches in Zeiten von Corona, Kriegen und geopolitischen Spannungen etwas in den Hintergrund gerückt ist: Die ausufernde Staatsverschuldung. Insbesondere die explodierende Verschuldung der USA ist besorgniserregend. So ist die amerikanische Staatsverschuldung seit 2019 von USD 24 Bio. um atemberaubende USD 10 Bio. auf USD 34 Bio. angestiegen – Tendenz stark steigend. Wer auch immer die Wahlen um die amerikanische Präsidentschaft im Herbst gewinnen wird: Es ist davon auszugehen, dass sich diese fahrlässige Schuldenwirtschaft fortsetzen wird. Vor der Covid-Krise betrug der amerikanische Schuldendienst rund USD 1 Mrd. pro Tag. Mittlerweile sind es bereits USD 2 Mrd. Die horrenden Schulden müssen früher oder später abgebaut werden. Dieser Prozess wird nicht ohne Schmerzen für Wirtschaft und Bürger erfolgen – und mutmasslich auch Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. Dabei ist und bleibt für uns eines klar: Aktien bilden langfristig die beste Grundlage, um Vermögen gegen Inflation, Schuldenwirtschaft, Kriege sowie andere Krisen zu schützen und langfristig zu mehren.
«Ich liebe Politiker auf Wahlplakaten. Sie sind tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.»
Mit einer lustigen und schier unglaublichen Reminiszenz runden wir unseren halbjährlichen Rück- und Ausblick ab. In der Mai-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins «Bilanz» wurde Daniel Lüchinger, Investment-Chef (CIO) der Graubündner Kantonalbank (GKB), gefragt, wie er die Zukunft der Aktienmärkte beurteile. Seine Antwort: «Ich habe das Gefühl, dass wir in den USA in eine Blase hineingehen. Wahrscheinlich folgen dann auch andere Märkte. Aus Anlegersicht ist das jedoch kein Problem. Übertreibungsphasen sind für Investoren am spannendsten, weil man dann am meisten Geld verdient. Die Kurse steigen dann am stärksten. Es ist am schönsten, in einer Bubble investiert zu sein.» Dies sind nicht etwa die Aussagen eines unerfahrenen Zockers, sondern des Anlagechefs einer grossen Staatsbank. Man reibt sich die Augen: Ein Investment-Chef einer Kantonalbank, der seinen Kundinnen und Kunden empfiehlt, in eine Bubble zu investieren, weil das am schönsten sei. Präsident der GKB ist Peter Fanconi. Fanconi pflegte enge Kontakte zu René Benko und hat «seiner» Bank fragwürdige Kredite mit dem gefallenen Immobilienzampano eingebrockt. Diese Bubble, die der Bank happige Verluste beschert, ist endgültig geplatzt.
Liebe Kundinnen und Kunden, wir freuen uns sehr auf die weitere Zusammenarbeit. Für Ihr geschätztes Vertrauen bedanken wir uns bei Ihnen ganz herzlich. Wir wünschen Ihnen und Ihren Lieben schöne Sommerwochen und vor allem beste Gesundheit!
Mit herzlichen Grüssen, im Namen des ganzen «Hotz-Teams», Ihr
Dr. Pirmin Hotz