
Wenn sich zwei über den Bitcoin streiten
KRYPTO-DUELL An der Kryptowährung scheiden sich weiterhin die Geister. «Finanz und Wirtschaft» hat im Streitgespräch einen Kritiker gegen einen Unterstützer antreten lassen.
Der Verriss des Bitcoins in dieser Zeitung von Pirmin Hotz, Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltung, hat grosse Wellen geschlagen. Unter anderem antwortete Stefan Höchle, Head Investment Strategy bei Digital Asset Solutions, in seiner Replik direkt auf die Argumente von Hotz.
Beide Artikel und die darauf erhaltenen Kommentare zeigen: Der Diskussionsbedarf bleibt gross. FuW hat beide Experten daher zum direkten, verbalen Schlagabtausch eingeladen.

«Die Finanzindustrie war schon immer
brutal im Geldverdienen.»
Beginnen wir einfach: Was ist der Bitcoin für Sie, Herr Hotz?
Pirmin Hotz: Der Bitcoin ist ursprünglich eine digitale Währung, die krachend als Zahlungsmittel gescheitert ist. Ich wohne im sogenannten Crypto Valley im Kanton Zug und kenne niemanden, der jemals mit Krypto bezahlt hat. Weil es so grandios gescheitert ist, ist es heute zum reinen Spekulationsobjekt verkommen.
Das entspricht wohl nicht ganz Ihrer Auffassung, Herr Höchle?
Stefan Höchle: Nein, für mich ist der Bitcoin natürlich mehr als reine Spekulation. Es ist wichtig, dass man Bitcoin versteht und nicht nur den Preis von Bitcoin anschaut. Selbstverständlich hat der Preis einen spekulativen Charakter, aber schaut man das Konzept von Bitcoin an, dann handelt es sich hierbei um eine neue, dezentrale monetäre Infrastruktur. Diese hat erstmals ermöglicht, neben Informationen auch Wert übers Internet ohne Intermediär zu transferieren. Im Unterschied zu Gold, Aktien oder Fiat ist dieses System von Grund auf zensurresistent, nicht konfiszierbar und ohne Gegenparteirisiko - das ist ein fundamentaler Unterschied. Und auf diesem Netzwerk wurde eben die digitale Währung Bitcoin gegründet.
Aber Sie geben Herrn Hotz recht, seinen ursprünglichen Zweck als Zahlungsmittel hat der Bitcoin nicht erfüllt?
Höchle: Nein, da gebe ich ihm auch nicht recht. Fiat-Geld sollte einerseits als Rechnungseinheit gelten, als Zahlungsmittel akzeptiert werden und zur Wertaufbewahrung dienen. Die dominierende Funktion von Bitcoin war die Wertaufbewahrung. Gerade in Ländern mit hoher Inflation oder Kapitalrestriktionen nutzen Menschen Bitcoin aktiv, um ihre Kaufkraft zu schützen.
Wert wird in Anlageklassen aufbewahrt. Ist der Bitcoin eine solche?
Hotz: Ich habe in der Schule gelernt, dass Anlageklassen einen Hintergrund haben. Aktien sind Beteiligungspapiere an Unternehmen, die etwas produzieren und Mehrwert schaffen. Der Aktionär erhält als Entschädigung für sein Risiko Dividenden und profitiert langfristig von einem Kapitalgewinn. Wenn man Immobilien kauft, erhält man einen Mietertrag. Beim Bitcoin sehe ich absolut nichts dahinter. Es basiert einzig und allein auf dem Prinzip Glaube und Hoffnung. Die Technologie dahinter mag ja interessant sein, aber mit einem Bitcoin erhalte ich davon keinen Anteil. In anderen Worten: Der intrinsische Wert eines Bitcoins ist de facto null, somit ist auch der Wert aller Bitcoin null.
Herr Höchle, Sie schütteln den Kopf. Was entgegnen Sie darauf?
Höchle: Ich wiederhole mich, aber Bitcoin ist nicht nur eine Währung, sondern auch ein Netzwerk, das die Wertaufbewahrung und den Transfer ohne Intermediär ermöglicht. Keinen intrinsischen Wert hätte dieses Konzept, wenn das Netzwerk nicht adaptiert wird. Ein dezentrales, monetäres Netzwerk mit Aktien gleichzusetzen, ist wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Das greift zu kurz. Aktuell bemisst der Markt dem Bitcoin-Netzwerk auf alle Fälle - basierend auf der Marktkapitalisierung - einen Wert von 2,3 Bio. $. Zudem finden täglich rund 400 000 Transaktionen auf dem Netzwerk in Höhe von rund 50 Mrd. $ statt. All dies negiert Herr Hotz, wenn er sagt, es habe keinen intrinsischen Wert.
Und dann wäre ja noch die Performance, ebenfalls ein wichtiger Faktor einer Anlageklasse.
Höchle: Richtig, und es gibt kein besseres Asset auf der Welt, das sich über die vergangenen zehn Jahre hinweg mit einer durchschnittlich annualisierten Rendite (CAGR) von rund 80% entwickelt hat - und das wohlgemerkt ohne die extremen Anstiegsjahre aus der Anfangszeit im Centbereich.
Hotz: Wenn man den Aktienmarkt - also die aus meiner Sicht langfristig attraktivste Anlageklasse - analysiert, dann kommt man ungefähr auf eine Durchschnittsrendite von 8%, die sich auch weiterhin so generieren lassen dürfte. Dann kommt der Bitcoin daher mit 80% und lässt Aktien geradezu jämmerlich aussehen. Das allein dürfte doch schon ausreichen, um zu erkennen, dass es sich beim Bitcoin um einen Hype ohne Substanz handelt.
Sie, Herr Hotz, hatten Bitcoin bereits mit der Tulpenblase verglichen. Der Bitcoin hat mehrere Bärenmärkte überstanden. Ist der Vergleich nicht etwas weit hergeholt?
Hotz: Nein, es ist eigentlich noch schlimmer. Bei einer Blase spricht man von einer Überbewertung eines Werts. Beim Bitcoin gibt es aber gar keine Bewertung. Es gibt schlichtweg keinen fairen Preis. Bei Nestlé können Analysten sagen, dass der faire Preis beispielsweise irgendwo bei 80 Fr. pro Aktie liegt. Niemand würde auf die Idee kommen und sagen, der faire Preis liegt bei 10 Mio. Fr. Das ist aber beim Bitcoin passiert. Plötzlich ist er von 0,8 Cent auf 100 000 $ gestiegen.
Höchle: Plötzlich war es nicht. Es dauerte immerhin 17 Jahre.
Hotz: 17 Jahre sind für mich ein Augenblick in der Geschichte.
Und trotzdem kann man nicht mehr von einem neuen Phänomen sprechen.
Hotz: Das stimmt, es funktioniert jetzt schon einige Jahre. Das ist vergleichbar mit einer Sekte oder einer Religion. Wenn es der Bitcoin-Sekte weiterhin gelingt, ihre Gläubigen zu vermehren und sich auszubreiten, dann schliesse ich auch einen Kurs von 20 Mio. $ pro Bitcoin nicht aus. Mit Social Media und den unzähligen Influencern funktioniert der Herdentrieb so gut, dass praktisch kein Limit gesetzt ist.
Höchle: Vielleicht sollten wir die verschiedenen Arten von Blasen differenzieren. Es gibt durchaus Blasen, die ohne fundamentale Treiber entstehen. Nachdem diese platzen, spricht niemand mehr darüber. Dann gibt es aber Blasen, wo einfach die Preiserwartungen irrational geworden sind. Nachdem die Dotcom-Blase geplatzt ist, gab es das Internet und die daraus resultierenden multinationalen Konzerne wie Alphabet weiterhin. Dasselbe gilt für den Bitcoin. In den Bärenmärkten hat der Kurs bis zu 90% korrigiert. Würde hinter dem Bitcoin kein fundamentaler Wert stecken, wäre er heute Geschichte. Aber er hat sich immer wieder erholt - und das liegt am Netzwerk hinter dem Coin, das von Herrn Hotz so gern ignoriert wird.

«Es gibt ein ganzes Ökosystem um den Bitcoin, das sich stets weiterentwickelt.»
Was sagen Sie zum Vorwurf, dass es sich einfach um eine Glaubensgemeinschaft handelt?
Höchle: Wir sprechen hier von einem digitalen Asset mit einer Marktkapitalisierung von 2,3 Bio. $, das mittlerweile im institutionellen Umfeld aufgenommen wurde und in welches auf breiter Front - von Privatanlegern über Unternehmen bis zu Staaten - investiert wird. Es gibt ein ganzes Ökosystem um den Bitcoin, das sich stets weiterentwickelt. Die grössten Vermögensverwalter der Welt nehmen den Bitcoin in ihre Allokation auf. Dies als Sekte abzutun, ist dann doch etwas sehr einfach und selbstverständlich falsch.
Herr Hotz, Sie müssen zugeben: Der Bitcoin ist in der Mitte des Finanzmarkts angekommen.
Hotz: Die Finanzindustrie war schon immer brutal im Geldverdienen. Wo immer Geld verdient werden kann, wird es auch gemacht. Vor wenigen Jahren hat Larry Fink, der Chef von BlackRock, Kryptowährungen noch als Mittel zur Geldwäsche bezeichnet. Heute verdient sein Unternehmen Millionen mit Gebühren auf den Bitcoin-ETF. In der Schweiz ist sogar eine PostFinance eingestiegen, also eine klassische Retailbank. Man muss sich das mal vor Augen führen. Dahinter steckt einerseits der Fomo-Effekt - Fear of Missing Out - und andererseits der Druck, Geld zu verdienen.
Herr Höchle, dass Institutionen wie BlackRock aufspringen, hat vermutlich wirklich damit zu tun, dass sie ein Stück des Kuchens abschneiden wollen.
Höchle: Herr Hotz tut so, als ob diese Unternehmen gezwungen werden, mitzumachen. Der freie Markt wird von Angebot und Nachfrage getrieben. Die Nachfrage ist da, also wird auch das Angebot aufgebaut. Wenn er Larry Fink anspricht, so muss gesagt werden, dass hier ein gewisser Lernprozess stattgefunden hat und es eine Weile dauerte, bis verstanden wurde, was Bitcoin darstellt. Dieses Verständnis ist schlussendlich entscheidend.
Dann versteht es Herr Hotz schlichtweg nicht?
Höchle: Ich glaube, dass
Hotz: Sie dürfen schon nein sagen.
Höchle: nicht ganz verstanden wird, was eine monetäre Infrastruktur mit Adoption darstellt, deren Wert vom freien Markt bestimmt wird. Das ist nun mal schwieriger zu erfassen als beispielsweise ein Unternehmen, das mit Gewinnkennzahlen bewertet werden kann. Und ja: In gewissem Ausmass hat die Nachfrage nach Bitcoin auch mit Glaube zu tun, wie Herr Hotz sagt. Aber das gilt auch für andere, schon lange etablierte Anlageklassen wie Gold.
Die heutige Verwendung von Gold als Wertaufbewahrungsmittel fusst in der Tat auch weitgehend auf gesellschaftlichem Konsens, Herr Hotz.
Hotz: Ich bin kein grosser Fan von Gold. Aber es handelt sich dabei - neben seiner Verwendung in der Schmuckindustrie -immerhin um eine potenzielle Möglichkeit zur Diversifikation des Portfolios. Denn Gold ist im Unterschied zu Kryptowährungen wirklich begrenzt auf dieser Welt und nicht replizierbar. Jederzeit könnte der Code des Bitcoin-Netzwerk kopiert und ein neues Bitcoin lanciert werden.
Höchle: Der Code von Bitcoin ist zwar in der Tat frei zugänglich und es wurde mehrmals versucht, eine Kopie zu lancieren. Jedes Mal aber ist dieser Versuch krachend gescheitert, denn das Bitcoin-Netzwerk wurde breit adoptiert und diese breite Adoption macht es gerade erst einzigartig. Im Gegensatz zu Gold ist darüber hinaus ganz klar, auf wie viele Bitcoin der Maximalbestand begrenzt ist. Bei Gold stellt sich die Frage, wie viel davon es wirklich auf der Welt gibt. Die Transparenz der Knappheit ist beim Bitcoin also viel höher.
Dann ist also der Bitcoin ein geeigneter Portfoliobaustein?
Höchle: Absolut, der Bitcoin hat sich als Inflationsschutz bewährt und hat wie erwähnt hervorragende Renditen abgeworfen. Darüber hinaus zeigt der Bitcoin übrigens eine Korrelation zur globalen Geldmenge M2 - die neben dem Bargeld auch kurzfristige von den Notenbanken geschaffene Vermögen berücksichtigt, die meist in Assets fliessen - von rund 80%. Diese hohe Korrelation zeigt, dass Bitcoin keineswegs irrational schwankt, sondern klar auf die monetäre Expansion reagiert - als digitaler Gegenvorschlag zu strukturell entwertenden Fiatwährungen. All diese Punkte zeigen, dass der Bitcoin genau das erfüllt, was er verspricht und dass er sich durchaus gut als Beimischung im Portfolio eignet.
Apropos Korrelation: Die Korrelation vom Bitcoin gegenüber anderen Anlageklassen zeigt doch durchaus Diversifikationspotenzial, Herr Hotz?
Hotz: Wenn einfach die Korrelation als Diversifikationsfaktor hingezogen wird, kann auch in Briefmarken, Oldtimer oder von mir aus Kuhmist investiert werden. All diese Dinge haben auch eine tiefe Korrelation zu anderen Anlageklassen. Wir konnten übrigens während Covid beobachten, wie sich der Bitcoin binnen zwei Tagen halbiert hat. Ob Bitcoin sich in einer Krise also als Diversifikationsmittel beweisen kann, bezweifle ich vehement.
Höchle: Niemand behauptet, dass der Bitcoin nicht volatil sei. Aber das liegt auch am Alter des Assets. Sowohl die Renditen als auch die Volatilität werden über die Zeit abnehmen. Das ist ein normaler Prozess, der auch bei einer Amazon-Aktie beobachtet werden konnte.
Hotz: Aber Amazon hat sich über die Jahre weiterentwickelt. Ein Bitcoin im Jahr 2025 ist genau der gleiche Bitcoin wie der von 2008.
Höchle: Es ist schade, dass Sie das noch nicht verstanden haben. Der Bitcoin und das dahinter liegende Netzwerk haben sich massiv verändert.
Hotz: Aber ein Bitcoin ist immer noch ein Bitcoin und aus Amazon wurde ein ganz anderes Unternehmen.
Aber eine Amazon-Aktie ist auch weiterhin eine Amazon-Aktie, Herr Hotz.
Hotz: Das schon, aber was dahinter steht hat sich verändert. Amazon hat ihren Umsatz und Gewinn verzigfacht.
Und Herr Höchle argumentiert, dass sich auch das Bitcoin-Netzwerk verändert hat.
Hotz: Davon habe ich aber als Besitzer eines Bitcoins nichts.
Höchle: Doch - und zwar 80% jährliche Performance über die letzten zehn Jahre.
Eine Performance von 80% hört sich doch gut an. Werden Sie sich nun einen Bitcoin kaufen, Herr Hotz?
Hotz: In diesem Leben bestimmt nicht.
Herr Höchle, werden Sie Ihre Bestände verkaufen?
Höchle: Definitiv nicht.
Damien Martin
Iris C. Ritter
- Alternative Anlagen
- Diversifikation
- Prognosefähigkeit