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Unfaire Besteuerung der Kapitalbezüge in der Vorsorge

Unfaire Besteuerung der Kapitalbezüge in der Vorsorge

Der Bundesrat will angebliche «Vorteile» bei Bezug von Vorsorgekapital eliminieren; er unterliegt dabei einem Grundlagenirrtum und schafft Fehlanreize.

Der Bund ist knapp bei Kasse, deshalb hat eine Expertengruppe auch zusätzliche Besteuerungsmöglichkeiten gesucht. Unter diesen Vorschlägen der Expertengruppe findet sich auch die Anpassung der Besteuerung von Kapitalbezügen in der Vorsorge. Es ist in mehrfacher Hinsicht unverständlich, dass der bürgerlich dominierte Bundesart diesen Vorschlag übernommen hat. Zum einen besteht ein Grundlagenirrtum, weil es heute gar keine Vorteile beim Bezug von Vorsorgekapitalien gibt – wie weiter unten aufgezeigt wird. Zum anderen wird gegen die Rechtssicherheit verstossen und falsche Anreize werden geschaffen.

«Faktisch entspricht diese ex-post geänderte Besteuerung einer Enteignung.»
 

Die in Kauf genommene Rechtsunsicherheit ist stossend. Während bei Renten eine Bestandsgarantie besteht, will der Bundesrat die Spielregeln während des Spiels für jene ändern, die sich selbst um die Vorsorge kümmern. Die Wirkung einer höheren Besteuerung von bereits ins Vorsorgesystem eingebrachten Geldern ist gleich wie bei einer Reduktion von Renten; der Vorsorgeplan von eigenverantwortlichen Personen funktioniert nicht mehr – und Korrekturmöglichkeiten sind kaum mehr möglich. Faktisch entspricht diese ex-post geänderte Besteuerung einer Enteignung.

Die falsche Anreizwirkung hat zwei wesentliche Aspekte: Erstens wird für viele der Bezug einer Rente wieder attraktiver; für Pensionskassen sind jedoch Kapitalbezüge nicht unattraktiv, weil dadurch die laufenden Verpflichtungen und die Langlebigkeitsrisiken reduziert werden. Zweitens macht es das eigenverantwortliche Vorsorgen mittels Säule 3a oder Einkäufen in die zweite Säule zwecks Schliessung von Vorsorgelücken unattraktiver. Angesichts der bekannten demografischen Entwicklung ist dieser Fehlanreiz ein Irrsinn.

Der oben erwähnte Grundlagenirrtum besteht darin, dass der Bundesrat vorgibt, bei «Reichen» bestehende Vorteile zu beseitigen, indem das «Steuerschlupfloch» von tieferen Steuersätzen beim Kapitalbezug aus der Vorsorge geschlossen wird. Dabei sollen Kapitalbezüge künftig zu höheren Steuersätzen versteuert werden statt zu einem Sondersatz. In den allermeisten Fällen bestehen weder wesentliche Vorteile noch ist es ein Steuerschlupfloch. Dies soll anhand eines realistischen Beispiels aufgezeigt werden: Eine in Zürich wohnhafte Person hat mit 65 Jahren ein Pensionskassenvermögen von 1'200'000 Franken, daneben jedoch kein weiteres steuerbares Vermögen. Die Pensionskasse hat einen Umwandlungssatz von 5%, was zusammen mit der AHV eine Rente von knapp 92'000 Franken ergibt. Über 20 Jahre bis zum Alter 85 führt dies zu einer Steuerlast auf dem Renteneinkommen von rund 260'000 Franken.

Wenn nun ein vollständiger Kapitalbezug getätigt wird und ein gleiches Einkommen von knapp 92'000 Franken zur Verfügung stehen soll, sieht es wie folgt aus: Beim Kapitalbezug ist eine Steuer von rund 147'000 Franken zu bezahlen. Das verbleibende Kapital wird in einem gemischten Portfolio angelegt, welches eine Nettorendite von im Mittel 3.9% abwirft . Davon sind 2.3% steuerbare Erträge und 1.6% steuerfreier Kapitalgewinn. Um das Zieleinkommen zu erreichen, wird neben der AHV der Vermögensertrag sowie ein Vermögensanteil verzehrt. Zur Einkommenssteuer auf die Vermögenserträge sowie die AHV-Rente bezahlt die Person nun zusätzlich wiederkehrende Vermögenssteuern und die einmalige Steuer für den Kapitalbezug. Die laufenden Steuern über 20 Jahre summieren sich auf rund 113'000 Franken. Die Steuerbelastung scheint nur auf den ersten Blick als Vorteil gegenüber dem Rentenbezug. Denn inklusive der Steuer für den Kapitalbezug beträgt die Gesamtsteuerbelastung rund 260'000 Franken und liegt exakt auf gleicher Höhe wie beim Rentenbezug. Es kann heute in keiner Weise von einer Bevorzugung im Falle von Kapitalbezügen gesprochen werden.

Bei Anwendung der vom Bundesrat künftig vorgeschlagenen Besteuerung von Kapitalbezügen entsteht eine Ungleichbehandlung zulasten jener, die mittels Kapitalbezügen das volle Vorsorgerisiko selbst tragen: Beim Kapitalbezug sind somit von den 1'200'000 Franken rund 177'000 Franken an den Staat abzuführen. In der Folge ist das Restvermögen und die darauf anfallenden Erträge geringer, es muss also mehr Vermögen verzehrt werden. Dadurch fällt das Restvermögen nach 20 Jahren auf 448'000 Franken, während beim aktuellen, bevorzugten Kapitalbezug 494'000 Franken übrig bleiben. Die Gesamtsteuerbelastung aus einmaliger Steuer beim Kapitalbezug und wiederkehrenden Vermögens- und Einkommensteuern beläuft sich auf 278'000 Franken und wäre somit um 18'000 Franken höher als heute. Die Steuerbelastung läge sodann 7% über der Belastung bei Rentenbezug. Bei höheren Vorsorgevermögen wird der Effekt noch gravierender.

Soll die eigenverantwortliche Vorsorge auf diese Weise bestraft werden? Im Kontrast zum bundesrätlichen Vorschlag müsste der Sondersatz für Kapitalbezüge teils gar gesenkt werden, wenn Rentenbezug und eigenverantwortlicher Kapitalbezug steuerlich gleich behandelt werden sollen. Wenn man bei Kapitalbezügen etwas optimieren sollte, ist es dies: Jede Person, die einen Kapitalbezug tätigt, sollte amtlich bestätigen müssen, dass auf Ergänzungsleistungen und Sozialhilfe im Falle des finanziellen Scheiterns verzichtet wird. Das ist echte Eigenverantwortung!

Steuerbelastung bei Vorsorge mittels Rente respektive Kapitalbezug

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Hotz auf den Punkt
11. September 2025

Autor

Dr. Thomas Hauser
ist Managing Partner bei Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG


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  • Interessenkonflikte