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EmMa-Anlagen sind kein Muss

EmMa-Anlagen sind kein Muss

Wer in Aktien der Emerging Markets (EmMa) investiert, geht im Vergleich zu Engagements in den etablierten Märkten höhere Risiken ein, kann aber keine Mehrrendite erwarten.

Es gibt gute Gründe, in Schwellenmärkte zu investieren. So weisen die sogenannten Emerging Markets (EmMa) im Vergleich zu den entwickelten Ländern deutlich höhere Wachstumsraten auf. Der «Emerging Champion» unter den Schwellenländern ist China, das im MSCI Emerging Markets ein Gewicht von 34% aufweist. Zählt man Taiwan hinzu, sind es sogar 49%. In der Dekade von 2011 bis 2020 wies China eine durchschnittliche jährliche BIP-Wachstumsrate von 6,8% auf. Sie ist zwar nicht mehr so hoch wie noch im Jahrzehnt zuvor, aber immer noch deutlich höher als

diejenige der restlichen Welt. Das weltweite jährliche Wirtschaftswachstum, ohne China gerechnet, betrug in derselben Periode bescheidene 2%.

Viele Anleger leiten daraus ab, dass in den Wachstumsmärkten auch die langfristige Aktienrendite höher sei. Darüber hinaus sei die Korrelation von Schwellenmarktinvestments zu anderen Anlagekategorien niedrig, was EmMa-Engagements im Hinblick auf eine optimale Diversifikation des Wertschriftenportfolios als Beimischung geradezu prädestiniere.

Es stellt sich die Frage: Schlugen sich die höheren Wachstumsraten in den Schwellenmärkten auch in einer höheren Rendite nieder? Die Antwort ist ein Jein, denn dies hängt vom betrachteten Zeitraum ab. Die Dekade von November 2011 bis Oktober 2021 war im Quervergleich keine gute für die Schwellenländer. Gemessen an den MSCI-Indizes warfen Aktienanlagen der Emerging Markets eine jährliche Gesamtrendite von 5,4% und in China 8% (jeweils in Franken) ab. Demgegenüber rentierten Anlagen in den Weltindex der entwickelten Länder (MSCI Developed Markets) mit 12,8% und in Schweizer Aktien mit 10,5% in derselben Periode markant höher.

«In führenden Schwellenländern ist Misswirtschaft besonders ausgeprägt.»

Dr. Pirmin Hotz

Politische Risiken und Instabilität

Mit Blick auf zwanzig Jahre sieht es für die Aktien der Schwellenländer besser aus. Von November 2001 bis Oktober 2021 betrug ihre jährliche Rendite 7,5 und für China gar 8,9%, was deutlich über derjenigen der entwickelten Länder mit 5,2% und derjenigen der Schweiz mit 5,8% lag.

Die renommierten britischen Professoren Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton haben die Renditen von entwickelten und aufstrebenden Märkten für die sehr lange Frist von 1900 bis 2018 untersucht und verglichen. Die Resultate sind ernüchternd: Während die Emerging Markets eine durchschnittliche Jahresrendite von 7,2% abwarfen, erreichten Dividendenpapiere der entwickelten Märkte 8,2% (jeweils in US-Dollar). Bezogen auf die Vergangenheit gibt es somit keine Evidenz, dass EmMa-Anlagen systematisch mit einer höheren Rendite entschädigt worden wären.

Wie sieht es mit den Risiken aus? Die Kursschwankungen der Schwellenmärkte sind grösser als diejenigen der entwickelten Märkte. So beträgt die durchschnittliche jährliche Aktienmarktvolatilität für den Zeitraum von zwanzig Jahren in den Schwellenmärkten 20,8 und in China gar 27,8%. Im Vergleich dazu fallen die Schwankungsrisiken in den entwickelten Ländern mit 18,9% und im Schweizer Markt mit 18,3% geringer aus. Allein in den Jahren 2006/2007 verdreifachte sich der MSCI China in euphorischer Weise, fiel dann in der darauffolgenden Finanzkrise in noch kürzerer Frist auf das ursprüngliche Niveau zurück.

Besonders in Krisenzeiten, in denen viele Anleger ihre Risiken reduzieren sowie ihr Geld in sichere Häfen verschieben respektive in ihren Heimmarkt zurückziehen, scheint das Diversifikations­argument nicht zu stechen.

Dazu gesellen sich bei EmMa- bzw. Chinaanlagen politische Risiken, wie die Parteidiktatur Pekings aktuell wieder eindrücklich vor Augen führt. Seit Beginn des Jahres rollt eine gewaltige Regulierungswelle über das von Präsident Xi Jinping mit eiserner Faust dirigierte Land. Die kommunistische Regierung akzeptiert nicht mehr, dass monopolähnliche Unternehmen unermesslich hohen Profit erwirtschaften. Tech-Giganten wie Alibaba oder Tencent werden zunehmend wettbewerbsrechtlich belangt und ihre Steuervorteile gestrichen. Mächtige und reiche Wirtschaftsbosse wie Jack Ma verschwinden ebenso schnell von der Bildfläche wie aufmüpfige Journalisten, die die Parteiführung kritisieren.

Kollabiert sind auch Aktien privater Bildungsunternehmen, nachdem die Parteiführung ankündigte, ihr Angebot zugunsten des staatlichen Angebots einzuschränken. Die Regulierungswut, die zunehmende Einflussnahme Pekings und das Wackeln des Immobiliengiganten Evergrande haben dazu geführt, dass der chinesische Aktienmarkt im laufenden Jahr meilenweit hinter etablierten Märkten wie etwa den USA oder der Schweiz zurückliegt.

Zweifel an Chinas Wachstumsraten

Warum aber werden die höheren Wachstumsraten und die höheren Risiken der Emerging Markets nicht dauerhaft mit höherer Rendite entschädigt? Ein Grund dürfte der sein, dass in führenden Schwellenländern wie Argentinien, Brasilien, China, Indien, Malaysia, Peru, Russland oder Südafrika die Misswirtschaft ganz besonders ausgeprägt ist. Oft fehlt es in diesen Ländern an einer rechtsstaatlichen und demokratischen Ordnung, an einer freien Presse sowie an der Achtung elementarer Menschenrechte. Es ist überdies zu vermuten, dass ein nicht unerheblicher Teil des hohen Wachstums der Schwellenmärkte im Sumpf der Korruption verschwindet.

In der Volksrepublik China dürfte überdies ein wesentlicher Teil des Wachstums von Staatsbetrieben und staatsnahen Unternehmen generiert werden, von dem private Aktionäre nicht profitieren können. Die renommierte amerikanische Wissenschaftlerin Carmen Reinhart (Harvard University; Chefökonomin und Vizepräsidentin der Weltbank) hat vor zwei Jahren in einem Interview in dieser Zeitung sogar ihre Zweifel daran geäussert, ob die publizierten Wachstumsraten Chinas überhaupt stimmten oder vielmehr nach oben manipuliert würden.

Aktien von Multis ins Portfolio

Ein erschwerter Markt- respektive Börsenzugang, komplexe Titelstrukturen in Aktienanlagen und teilweise exorbitante Gebühren für Börsentransaktionen in Schwellenländern wie etwa der Volksrepublik China sind Dauerprobleme, mit denen sich westliche Investoren herumzuschlagen haben. Dazu gesellen sich in vielen Emerging Markets ein hohes Mass an Unberechenbarkeit, erhebliche politische Willkür und eine oft brutale Machtpolitik, die bis zur Enteignung der privaten Aktionäre gehen kann. Überdies ist die Kontrolle von Nachhaltigkeitskriterien in diesen Märkten besonders schwierig.

Es gibt Alternativen zu Direkt- oder Fondsanlagen in diesen Regionen. Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé etwa erwirtschaftet über 40% seines Umsatzes in den aufstrebenden Märkten, der niederländische Konkurrent Unilever sogar rund 60%. Auch beim deutschen Industriekonzern Siemens macht der EmMa-Anteil deutlich mehr als 40% des weltweiten Konzernumsatzes aus.

Wer sein Aktienportfolio mit Titeln solcher und vieler anderer multinationaler Unternehmen diversifiziert, die ihren Sitz in westlichen und demokratischen Ländern haben, braucht keine Anlagen in den Emerging Markets zu halten. Das Investieren in Aktien erfolgreicher Unternehmen, die ihrerseits in den aufstrebenden Märkten stark präsent sind, ist der transparenteste und kostengünstigste Weg, mit kontrollierten Risiken optimal von ihren Zukunftschancen zu profitieren.


Finanz und Wirtschaft
13. November 2021

Autoren

Dr. Pirmin Hotz
ist Gründer und Inhaber der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG mit Sitz in Baar.


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