Skip to main content
Das Fiasko von CS muss Konsequenzen haben

Das Fiasko von CS muss Konsequenzen haben

Der Untergang von Credit Suisse ist eine Schande für viele Exponenten. Deren Versagen ist ein letzter Weckruf, um den Finanzplatz Schweiz zu retten.

Fünfzehn Jahre nachdem UBS vom Staat gerettet werden musste, mutiert die einstige Komapatientin zur Retterin und übernimmt die taumelnde Credit Suisse. Übrig bleibt mit UBS als letzte Schweizer Grossbank ein veritables Monster, dessen Systemrelevanz alle bisherigen Dimensionen sprengt. Es sind Massnahmen gefordert, um ein noch grösseres Fiasko zu verhindern.

Erstens: Schweizer Top-Banker müssen endlich begreifen, dass sie nicht in der Champions League spielen. Amerikanische Grossbanken sind ihnen bezüglich Potenz und Agilität meilenweit voraus. Der neue UBS-Koloss muss sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren, die Vermögensverwaltung und die Vergabe von Hypotheken. Die Salarierung der Spitzenkader muss auf ein vernünftiges Niveau reduziert werden. Das gebetsmühlenartig vorgetragene Argument, Talente könnten nur mit Traumgagen gehalten werden, ist eine Mär.

Zweitens: Credit Suisse beschäftigt (noch) gegen 1000 sogenannte Key Risk Takers, die Millionenboni kassieren. Kaderleute der wesentlich erfolgreicheren Nestlé, Novartis und Roche können von solchen Honoraren nur träumen. Key Risk Takers kassieren im Erfolgsfall die dicken Boni, im Fall des Scheiterns werden die Verluste auf die Aktionäre und Steuerzahler abgewälzt. Diese Asymmetrie muss ein Ende haben. Erleidet eine systemrelevante Bank Verluste, muss es ihr im Sinne einer gesunden Unternehmerlogik verboten sein, überhaupt Boni auszuschütten.

TBTF und Coco – was hats geholfen?

Drittens: Das Too-big-to-fail-Regelwerk ist schon am ersten Testfall grandios gescheitert. Nach der Aufarbeitung der Finanzkrise wurde dem Steuerzahler suggeriert, er müsse niemals wieder eine Bank retten, weil im Ernstfall das inländische Filetstück abgetrennt und der ausländische Rest in den Konkurs geschickt werden könnten. Diese Annahme erweist sich als naiv, da Uncle Sam und weitere Regierungen sowie Gläubiger aus aller Welt ihre Muskeln spielen lassen und ein solches Vorgehen niemals tolerieren würden. Das Regelwerk erweist sich als zahnloser Tiger und gehört in die Mottenkiste.

Viertens: Die bedingten Pflichtwandelanleihen respektive Coco haben ihren Dienst versagt. Zwar werden die nachrangigen und hoch verzinslichen Anleihen von CS in Eigenkapital gewandelt und die Gläubiger verlieren ihr Geld, was ordnungspolitisch korrekt ist, doch die Wandlung erfolgte viel zu spät, um die Bank zu retten, weil die risikogewichtete Eigenkapitalquote noch kurz vor ihrem Untergang bei äusserst komfortablen 14% lag und die Liquiditätsquote beruhigende 150% des Erforderlichen erreichte. Rein rechnerisch gab es also keinen Anlass zur Sorge, was einerseits die Frage aufwirft, ob die komplexen Risikoberechnungen überhaupt etwas taugen. Aber selbst, wenn die Coco von Credit Suisse in einer früheren Phase in Eigenkapital gewandelt worden wären, hätte das Desaster wohl nicht verhindert werden können. Denn sobald bekannt ist, dass die Wandelkriterien der Coco erfüllt sind, explodiert die Verunsicherung der Investoren und das Vertrauen in die Bank entschwindet erst recht. Coco als potenzieller Risikopuffer klingen gut in der Theorie – im Ernstfall können sie sogar als Brandbeschleuniger wirken.

Fünftens: Die politische Linke wird nach dem Sündenfall Credit Suisse noch mehr Regulierung fordern. Im Fall systemrelevanter Banken mag das sogar verständlich sein. Allerdings zeigt das Beispiel CS, dass auch eine noch so strenge Überwachung durch die Aufsichtsbehörde keine Garantie für die Sicherheit des Finanzplatzes ist. Entweder hat die Finma geschlafen, oder sie war schlicht überfordert, die Risiken rechtzeitig zu erkennen. Wenn die UBS für ihre Konkurrentin weniger als 10% des ausgewiesenen Buchwerts bezahlt, fragt sich, ob weitere Milliardenverluste in der Bilanz noch unentdeckt blieben. Das Beispiel CS zeigt, dass sich Ehrlichkeit und Charakter weder verordnen noch regulieren lassen. Deshalb ist, vor allem für nicht systemrelevante Finanzinstitute, nicht etwa eine strengere, sondern eine zurückhaltende Regulierung angezeigt. Stattdessen sollte die Finma drastische Bussen für Verfehlungen sündhafter Banker aussprechen können. Sie müssen zur Verantwortung gezogen werden.

Sechstens: Führende Exponenten der Schweizerischen Bankiervereinigung betonen gerne, wie sicher und seriös der Schweizer Bankenplatz sei. Das Bild ist geschönt. Stümperhafte Hochrisikogeschäfte rund um Archegos und Greensill sowie viele Geldwäschefälle zeigen, dass Banken in erstaunlicher Regelmässigkeit in Fallen tappen, die zu verheerenden Verlusten und Reputationsschäden für den Finanzplatz Schweiz führen. Die Zockerei der Hasardeure muss ein Ende haben. Die Aktionäre der Banken sind gefordert, Personal in die Verwaltungsräte zu beordern, das seriös und bodenständig ist und das Handwerk beherrscht.

«Nicht hohe Eigenmittelrenditen, sondern hohe Eigenmittel sollen in Zukunft oberste Priorität einer Bank sein.»

Dr. Pirmin Hotz

20 bis 30% hartes Eigenkapital

Siebtens: Wer auf billige Weise die Schuld für den Niedergang von Credit Suisse bei der amerikanischen Notenbank Fed sucht, weil sie die Zinsen zu stark nach oben getrieben hätte, macht sich lächerlich. Schliesslich ist es der Auftrag der Notenbanken, für die Wahrung der Geldwertstabilität zu sorgen und die grassierende Inflation zu bekämpfen. Geradezu widerlich fühlen sich die Auftritte der Bankenlegende Oswald Grübel an, der die staatliche Stützung von Grossbanken als etwas Selbstverständliches betrachtet. So liess er die Leser der «Handelszeitung» wissen: «In keinem Land der Welt wird so ein Zirkus gemacht wie in der Schweiz, wenn die Nationalbank mit Liquidität helfen muss.» Abkassieren, wenn die Gewinne sprudeln, aber den Staat um Hilfe rufen, sobald es brennt. Je nach Gusto ist Grübel entweder Kapitalist oder Sozialist – aus liberaler und marktwirtschaftlicher Sicht eine jämmerliche Einstellung.

Achtens: Die Berechnung der Eigenmittel auf risikobereinigter Basis birgt eine trügerische Sicherheit. Weil die Banken ihre Risiken selber kaum bewerten können, hilft nur das harte Eigenkapital weiter. Dieses ist trotz Fortschritten mit 4 oder 5% der Bilanzsumme auch heute noch viel zu niedrig – gesetzlich gefordert sind gar nur 3,5%. Simon Johnson, ehemaliger Chefökonom des Internationalen Währungsfonds und Professor am Massachusetts Institute of Technology, Anat R. Admati, Professorin für Finanzen und Wirtschaft an der Universität Stanford, und Professor Martin Hellwig, früherer Direktor am Max-Planck-Institut, fordern von den Banken harte Eigenmittelquoten von 20 bis 30% – zu Recht, wie die Erfahrung leider zeigt. Das entspricht rund dem Fünf- bis Sechsfachen der heutigen Quoten. Die neue «Monster-UBS» wird besonders systemrelevant sein, weshalb sich für sie eine massiv höhere Eigenmittelquote geradezu aufdrängt. Sie wird das Vertrauen der Investoren und Kunden stärken und bringt Stabilität und Sicherheit für den schweizerischen Finanzplatz. Schleunigst verabschieden sollen sich Banker auch von selbst gesteckten Eigenmittelrenditezielen. Sie bergen einen Interessenkonflikt, mit möglichst wenig Eigenkapital hohe Risiken einzugehen. Nicht hohe Eigenmittelrenditen, sondern hohe Eigenmittel sollen in Zukunft oberste Priorität einer Bank sein.

Neuntens: Das wertvollste Kapital einer Bank ist das Vertrauen der Investoren, der Kunden und der Mitarbeitenden. Wird das Vertrauen über Jahre und Jahrzehnte strapaziert, so kommt irgendwann der Kipppunkt, an dem es zu spät ist. So erging es in der Woche vor dem Kollaps den Kapitänen von Credit Suisse. Ihre Geschichte erinnert an die dramatische Havarie der Costa Concordia im Jahr 2012. Dessen Kapitän, Francesco Schettino, stand in den letzten Minuten und Sekunden auf der Brücke und sah den Fels unmittelbar vor sich. Zu spät – das grosse Kreuzfahrtschiff liess sich nicht mehr wenden. Die Kapitäne systemrelevanter Banken sind gut beraten, mit dem Vertrauen ihrer Stakeholder sorgsam umzugehen. Dazu gehört, dass Arroganz und Überheblichkeit durch Bescheidenheit und Zurückhaltung ersetzt werden.


Finanz und Wirtschaft
20. März 2023

Autoren

Dr. Pirmin Hotz
ist Gründer und Inhaber der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen AG mit Sitz in Baar


Kategorien
  • Diversifikation
  • Langfristig
  • Nachhaltigkeit