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Ruhig durch die Krise

Strategie
Viele Anleger verlieren in hektischen Zeiten die Nerven und verkaufen auf Tiefständen. Besser wäre es, gegen den Herdentrieb zu agieren.

Viele Anleger tendieren in Baissen dazu, ihre Anlagestrategie über den Haufen zu werfen. In prozyklischer Weise werden oft auf Tiefständen Aktien aus den Depots geräumt, um Verluste einzugrenzen. Das mag psychologisch vielleicht nachvollziehbar sein, ist aber rational betrachtet falsch. Die Erfahrung zeigt, dass Anleger, die in turbulenten Zeiten ihre Aktien zu Schleuderpreisen verkaufen, auch die Erholung der Märkte regelmässig verpassen. Ein Anleger, der aus Angst vor weiter sinkenden Kursen Aktien verkauft, wird diese nach einem Rückschlag nicht zurückkaufen.

Auch das prozyklische Setzen von Stop­Loss­Limiten ist nicht zu empfehlen. Nach Auslösung der Stop­Loss­Limite besteht die Gefahr, dass die Kurse zu einer Erholung ansetzen und der Wiedereinstieg misslingt. Die optimale Anlagestrategie basiert deshalb einzig auf der Risikofähigkeit und ­willigkeit des Kunden. Sie muss sich nicht nur in Schönwetterphasen bewähren, sondern auch Sturm und Hagel aushalten können.

Timing als Illusion
Anlagegurus überschätzen systematisch ihre Prognosekompetenz. Das zeigt, dass nicht nur das richtige Timing für den Ein­ und Ausstieg nicht zu schaffen ist, sondern auch die perfekte Titelauswahl. Es ist deshalb angezeigt, das Wertschriftendepot solide mit einer ausreichenden Anzahl Aktien und Obligationen zu diversifizieren. Um Gebühren zu sparen, verzichtet man idealerweise auf jegliche Kollektivanlagen wie Fonds und investiert in transparente Direktanlagen. Dabei ist konsequent auf erstklassige Qualität der Aktien und Bonität der Obligationen zu achten. Bei Festzinsanlagen gilt der einfache Grundsatz, die Risiken eines Ausfalls zu minimieren; der Höhe der Rendite kommt eine zweitrangige Bedeutung zu.

Eine langfristige Anlagepolitik, die von ruhiger Hand geführt wird, ist einer Tradingstrategie klar vorzuziehen. Hin und her macht Taschen leer respektive füllt jene der Anbieter! Anderseits ist auch eine indexorientierte und nach Kapitalisierung ausgerichtete Anlagepolitik nicht zweckmässig. Sie funktioniert prozyklisch und beinhaltet Klumpenrisiken. So repräsentierte der japanische Aktienmarkt vor gut 20 Jahren kurz vor seinem Zusammenbruch rund 50 Prozent des Weltmarktes, und innerhalb des schweizerischen Aktienmarktes reflektieren heute alleine die Titel Nestlé, Novartis und Roche ebenfalls annähernd die Hälfte der Marktkapitalisierung. Aus Risikoüberlegungen ist deshalb eine Politik vorzuziehen, die einzelnen Titeln etwa dasselbe Gewicht zuweist.

«Ohne Hedging rechnen sich Obligationen in Fremdwährung langfristig nicht.»

Pirmin Hotz

Währungsrisiken überprüfen
In Zeiten von Währungskrisen stellt sich auch die Frage nach der optimalen Höhe von Fremdwährungen im Depot eines Schweizer Anlegers. Bei Obligationen lohnt sich das Kaufen von Währungen wie Dollar, Euro oder Pfund langfristig nicht. Allenfalls höhere nominelle Verzinsungen, welche aus Sicht des Schweizer Anlegers mit ungesicherten Fremdwährungsobligationen systematisch erzielt werden können, werden langfristig durch Währungsverluste kompensiert. Mit Fremdwährungsobligationen erhöhen sich somit nur die Risiken, nicht aber die erzielten Renditen gegenüber Frankenobligationen. Der Kauf von Fremdwährungsobligationen kann in begrenztem Masse allenfalls aus taktischen Überlegungen erfolgen, wenn der Franken, wie im aktuellen Umfeld, als überbewertet beurteilt wird.

Unter diesem Aspekt muss wohl auch die Zusammensetzung des in der Verwaltung von Vorsorgegeldern vielbeachteten Pictet­Index «BVG 40» kritisch hinterfragt werden. In diesem sind nämlich 25 Prozent der Obligationen in Fremdwährungen wie Euro und Dollar investiert, was aus Sicht der aktuellen Währungsturbulenzen als klar zu hoch erscheint. Anderseits ist eine breite internationale Diversifikation bei Aktien trotz Währungsrisiken auch für Schweizer ratsam. Es ist ein Trugschluss zu glauben, die ausschliessliche Anlage in Schweizer Werten minimiere das Risiko eines Aktienportfolios. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass auch die multinationalen Standardwerte mit Sitz in der Schweiz eine starke Auslandabhängigkeit aufweisen. So erzielt das schweizerische Vorzeigeunternehmen Nestlé 98 Prozent des Umsatzes ausserhalb der Schweiz. Anderseits profitieren Firmen, die ihren Sitz im Ausland haben, von einer schwächeren Währung, die die Exporte beflügelt. Im Aktienmarkt gibt es demnach, im Gegensatz zu den Obligationen, einen kompensierenden Effekt zwischen Währungsentwicklung und nomineller Veränderung der Aktienkurse.

Gelingt es, für den Kunden in guten Zeiten die für ihn optimale Anlagestrategie zu definieren, so wird sich diese auch in Krisenzeiten bewähren. Anleger, die ihre Aktienbestände in turbulenten Zeiten auf Tiefständen panikartig veräussern, vergessen auch, dass sich Realanlagen gerade in ganz grossen Krisen wie Währungsreformen, Kriegen oder bei Schuldenschnitten als resistenter erweisen als beispielsweise Sparguthaben oder Obligationen. Letztere werden entweder nicht mehr bedient oder weginflationiert. Das lehrt uns die Geschichte.

Anleger, die auch in turbulenten Zeiten die Nerven behalten und den teilweise heftigen Schwankungen mit antizyklischem Geschick begegnen, werden auch die aktuelle Krise erfolgreich meistern.


29. September 2011


Autoren

PRIMIN HOTZ
ist Gründer der Dr. Pirmin Hotz Vermögensverwaltungen in Baar. Die Firma hat 12 Mitarbeiter und betreut Private und Pensionskassen. Bei Hotz stiegen die verwalteten Vermögen um 12%.


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