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Segen und Fluch des süssen Gifts

Benchmark Wer seine Asset Allocation optimal bestimmt und das konsequent umsetzt, braucht den Vergleichsmassstab nicht zu schlagen.

Bei der Verwaltung von institutionellen Kundengeldern wie Pensionskassen ist es üblich, sich an einer Benchmark zu orientieren. Die Benchmark leitet sich aus der strategischen Ausrichtung respektive der sogenannten Asset Allocation des Anlegers ab. Im Umgang mit umfassenden Vorsorgegeldern ist es zweifellos zweckmässig, dass sich die Verantwortlichen in regelmässigen Zeitabständen ein Bild machen, wie ihre Anlagen bezüglich Rendite und Risiko im Vergleich zu einer repräsentativen, passiven Benchmark abschneiden.

Die Benchmark und gegebenenfalls ein festgelegter Tracking Error, der den Vermögensverwaltern den Freiheitsgrad in ihren aktiven Abweichungen von der Benchmark vorgibt, dienen den Stiftungsratsmitgliedern einer Pensionskasse als effiziente Kontrollgrössen. Hat der Portfoliomanager die Benchmark geschlagen? Und welches Risiko, ausgedrückt durch die Volatilität respektive Standardabweichung, ging er dabei im Vergleich zur Benchmark ein? Die Ausrichtung an einer Benchmark ist in der modernen Vermögensanlage institutioneller Gelder zu Recht nicht mehr wegzudenken. Doch die oft sture und einseitige Ausrichtung der Kontrollorgane auf diese «heilige Kuh» ist nicht ungefährlich.

Professionelles Halbwissen

Die Festlegung der Asset Allocation und damit indirekt auch der Benchmark ist die wichtigste Entscheidung, die ein Anleger überhaupt zu treffen hat. Sie bestimmt zu rund 90 Prozent darüber, wie sich die Renditen und Risiken in Zukunft verhalten werden. Sollen 10, 20, 50 oder 80 Prozent des Vermögens in Aktien oder Anleihen angelegt werden? Wie hoch soll der

Immobilienanteil sein? Sollen Alternativanlagen wie Hedgefonds, Private Equity, Infrastrukturthemen oder strukturierte Produkte Teil der Strategie sein? Und wie verhält es sich mit Währungen, Junkbonds oder Schwellenmarktanleihen?

Obwohl der Entscheidung der individuell optimalen Anlagestruktur eine überragende Bedeutung zukommt, erfolgt diese in der Praxis oft ziemlich rudimentär und mit professionellem Halbwissen. Regelmässig muss erstaunt festgestellt werden, dass viele Pensionskassenvermögen suboptimal strukturiert sind – sie haben oft zu wenig Aktien, investieren stattdessen in riskante Anleihen oder in hochmargige und intransparente Produkte, die kaum rentieren. Statt sich mit den wesentlichen Anlagefragen zu beschäftigen, fokussieren sich die Verantwortlichen im Monatsrhythmus und mit fast religiösem Eifer auf die Frage, ob ihre Geldverwalter die festgelegte Benchmark übertreffen oder verfehlen. Dabei ist aber wissenschaftlich völlig unstrittig, dass deren aktive Entscheidungen gerade einmal 10 Prozent der zukünftigen Performance und Risiken beeinflussen.

«Oft wird mit fast religiösem Eifer auf das Übertreffen oder Verfehlen der Benchmark geschielt»

Um es auf den Punkt zu bringen: Die meisten Verantwortlichen verwenden 90 Prozent ihrer Energie und ihrer Zeit dafür, die taktischen Entscheidungen der einzelnen Manager zu steuern, und überprüfen, welche gerade einmal für 10 Prozent der Rendite verantwortlich sind. Dagegen wird die Strategie, um es spitz zu formulieren, in einer zweistündigen Sitzung vor dem Feierabendbier festgelegt. Wie herausfordernd das Finden einer optimalen Anlagestruktur sowie der damit zusammen­hängenden Benchmark ist, zeigt auch die Tatsache, dass es gemäss der Branchen­organisation Index Industry Association weltweit mittlerweile 3,3 Millionen Indizes alleine auf Aktien gibt – und dies, obwohl insgesamt nur rund 44 000 Aktien kotiert sind. Der falsche Akzent der Kräfte führt selbst dann zu suboptimalen Resultaten, wenn die aktiven Manager ihre Benchmark regelmässig schlagen (siehe Tabelle).

Das Pensionskassen­portfolio A ist zu 50 Prozent in Aktien, zu 30 Prozent in Immobilien und zu 20 Prozent in Obligationen investiert. In der Fünfjahresperiode von 2013 bis 2017 erzielte A eine Durchschnittsrendite von 8,1 Prozent. Das ist zwar absolut betrachtet sehr erfreulich.

Relativ gesehen ist die Anlageleistung der Portfoliomanager von A allerdings ziemlich bescheiden ausgefallen, haben sie doch in vier von fünf Jahren die Benchmark verfehlt und diese nur in einem einzigen Jahr übertroffen. Demgegenüber steht das Pensionskassenportfolio B eines mit A vergleichbaren Unternehmens. Obwohl die Kasse B Voraussetzungen aufweist, die eine ähnliche Anlagestruktur wie diejenige von A erwarten liesse, sind bei B nur 20 Prozent in Aktien, 10 Prozent in Immobilien, aber 70 Prozent in Obligationen investiert.

Die langfristige Optik

Die konservative Haltung in der Kasse B ist das Resultat davon, dass die Orientierung der Verantwortlichen kurzfristig ausgerichtet ist, was diese bei Marktturbulenzen regelmässig nervös macht, obwohl die Finanzierung und die Reserven ebenfalls sehr solide sind. Da die Stiftungsräte monatlich mit umfassenden und komplexen Performance-, Risiko- und Benchmark Berichten eingedeckt werden, konzentrieren sie sich auf das Vermeiden von Verlusten und Risiken. Die Vermögensverwalter von B werden getrieben von gestrengen externen Controllern, die deren Leistung im Monatsrhythmus mit der entsprechenden Benchmark vergleichen. Dagegen nehmen die Verantwortlichen in der Kasse A eine langfristige Optik ein – sie lassen sich demnach auch von zwischenzeitlichen Marktturbulenzen nicht unnötig aus der Ruhe bringen.

Nicht das Mass aller Dinge

Die jährliche Rendite der Kasse B beträgt am Ende vergleichsweise bescheidene 4,4 Prozent. Ist das nun ein gutes Resultat? Wohl kaum. Die Kasse B kann zwar für sich proklamieren, dass sie respektive ihre Geldverwalter in jedem einzelnen Jahr ihre Benchmark übertreffen konnten. Aber diese überragende, taktische Anlageleistung macht bekanntlich nur 10 Prozent des Erfolgs aus.

Die Wahl der Strategie respektive der mit dieser zusammenhängenden Benchmark, die 90 Prozent der Anlageleistung dominiert, war hingegen eine miserable. Im Gegensatz zu B hat die Kasse A ihre Benchmark zwar regelmässig verfehlt. Die viel wichtigere Entscheidung, nämlich diejenige der Anlagestruktur, war aber goldrichtig. Es zeigt sich an diesem Beispiel klar: Lieber eine Benchmark gegenüber einer optimalen Anlagestruktur ab und zu verfehlen, als eine Benchmark gegenüber einer suboptimalen Anlagestruktur regelmässig übertreffen.

Was können wir daraus lernen? Im Anlagegeschäft sollte ein viel grösseres Augenmerk darauf gelegt werden, was wirklich wichtig ist.

Nicht etwa das ohnehin stark vom Zufall begleitete Schlagen einer Benchmark im einzelnen Jahr ist das Mass aller Dinge im Vermögensgeschäft, sondern die langfristig optimale Festlegung der Anlagestruktur und damit der Benchmark selbst. Das optimale Portfolio ist also die Benchmark!


5. Juli 2018

Autoren

Pirmin Hotz
Inhaber der gleichnamigen Vermögensverwaltungsgesellschaft, Baar.


Kategorien
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  • Langfristig